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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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erzählen«, sagte sie schließlich, den Tränen nahe, »ich habe ja fast kein einziges Wort verstanden.«
    »Du lügst, ausgeschlossen, daß du kein einziges Wort verstanden hast.«
    »Sie erzählten lange von einer schwarzhaarigen vornehmen Dame.« Sofja Matwejewna wurde feuerrot, als ihr auffiel, daß Warwara Petrowna blond war und mit der »Brünetten« keinerlei Ähnlichkeit hatte.
    »Von einer Schwarzhaarigen? Und was? Sprich!«
    »Sie erzählten, daß diese vornehme Dame in den Herrn von Herzen verliebt gewesen wäre, das ganze Leben lang, volle zwanzig Jahre, aber nicht gewagt hätte, sich dem Herrn zu entdecken, sie hätte sich geschämt, weil sie gar zu füllig war …«
    »Esel!« sagte Warwara Petrowna versonnen, aber entschieden.
    Sofja Matwejewna war inzwischen in Tränen ausgebrochen.
    »Da kann ich gar nichts ordentlich erzählen, weil ich doch immer in großer Angst um den Herrn war und sie nicht verstehen konnte, weil sie doch so klug sind …«
    »Über seine Klugheit steht einer solchen Krähe wie du kein Urteil zu. Hat er dir seine Hand angetragen?«
    Die Erzählerin bebte am ganzen Körper.
    »Hat er sich in dich verliebt? Sprich! Hat er dir seine Hand angetragen?« fragte Warwara Petrowna mit erhobener Stimme.
    »Das wird fast so gewesen sein«. Ihre Augen schwammen in Tränen. »Aber ich habe all das nicht für Ernst gehalten, weil sie doch so krank waren«, fügte sie sehr bestimmt hinzu und hob dabei die Augen.
    »Wie heißt du: Vor- und Vatername?«
    »Sofja Matwejewna.«
    »Dann sollst du wissen, Sofja Matwejewna, daß er der erbärmlichste, der nichtswürdigste Mensch ist … Oh, mein Gott, mein Gott! Hältst du mich jetzt für ein böses Weib?«
    Die andere riß nur die Augen auf.
    »Für ein böses Weib, für eine Tyrannin, die ihm das Leben ruiniert hat?«
    »Wie könnte ich das, Sie weinen ja selber?«
    Es stimmte, Warwara Petrowna hatte Tränen in den Augen.
    »Nun setz dich, setz dich, hab keine Angst. Sieh mir noch einmal in die Augen, ganz gerade; warum wirst du rot? Dascha, komm her, sieh sie dir an: Glaubst du, daß sie ein reines Herz hat …«
    Und sie tätschelte zu Sofja Matwejewnas Erstaunen und vielleicht noch größerem Schrecken ihr plötzlich die Wange.
    »Nur schade, daß sie dumm ist. Viel zu dumm für ihr Alter. Gut, meine Liebe, ich werde mich um dich kümmern. Ich sehe, daß alles nur Unsinn ist. Du bleibst einstweilen im Nachbarhaus wohnen. Man wird dir dort ein Logis mieten, und du bekommst dort auch deine Mahlzeiten und alles andere … solange, bis ich dich rufe.«
    Sofja Matwejewna stammelte erschrocken, sie habe es eilig und müsse weiterreisen.
    »Du brauchst dich nicht zu beeilen. Deine Bücher kaufe ich dir alle ab, und du bleibst hier. Keine Einwände! Sei still. Du hättest ihn doch, wenn ich nicht gekommen wäre, niemals im Stich gelassen?«
    »Nie und nimmer hätte ich den Herrn im Stich gelassen«, sagte Sofja Matwejewna mit leiser, aber fester Stimme und wischte sich die Tränen ab.
    Als Doktor Salzfisch gebracht wurde, war es schon tiefe Nacht. Er war ein durchaus würdiger alter Herr und ein ziemlich erfahrener Praktiker, der kürzlich bei uns wegen irgendwelcher Befugnisse sich mit der Behörde überworfen und seine Stelle verloren hatte. Von da an begann Warwara Petrowna ihn mit unerhörter Energie zu »protegieren«. Er untersuchte den Patienten mit größter Sorgfalt, stellte einige Fragen und teilte Warwara Petrowna mit aller Behutsamkeit mit, daß der Zustand des »Leidenden« äußerst bedenklich sei, infolge der eingetretenen Komplikationen, und daß man sogar »mit dem Schlimmsten« rechnen müsse. Warwara Petrowna, die in den zwanzig Jahren verlernt hatte, irgend etwas, das Stepan Trofimowitsch persönlich betraf, auch nur im leisesten ernst zu nehmen und für entscheidend zu halten, war tief erschüttert und wurde sogar kreidebleich:
    »Ist keine Hoffnung mehr?«
    »Es ist kaum möglich, daß eine Hoffnung ganz und gar und in jedem Fall ausgeschlossen wäre, aber …«
    Die ganze Nacht blieb sie auf den Beinen und konnte den Morgen kaum erwarten. Sobald der Kranke die Augen aufschlug und zu sich kam (er war bis jetzt immer bei Bewußtsein gewesen, obgleich seine Kräfte von Stunde zu Stunde nachließen), trat sie mit dem Ausdruck größter Entschlossenheit an sein Bett und sagte:
    »Stepan Trofimowitsch, man muß mit allem rechnen. Ich habe einen Geistlichen holen lassen. Sie sollen Ihre Pflicht erfüllen …«
    Da sie seine

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