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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Überzeugung kannte, befürchtete sie, er würde sich weigern. Er sah sie erstaunt an.
    »Unsinn, Unsinn!« rief sie laut aus, vor lauter Angst, das sei bereits eine Weigerung. »Jetzt ist es mit den Späßen vorbei! Sie haben genug Narrenpossen getrieben.«
    »Aber … bin ich denn so krank?«
    Nachdenklich willigte er ein. Ich konnte mich gar nicht genug wundern, als ich später von Warwara Petrowna erfuhr, daß er sich nicht vor dem Tod gefürchtet hätte. Vielleicht hat er einfach nicht daran geglaubt und seine Krankheit weiterhin für eine Bagatelle gehalten.
    Er beichtete und empfing die Sakramente mit größter Bereitwilligkeit. Alle, auch Sofja Matwejewna und sogar die Diener, kamen, um ihm zum Empfang der Sakramente zu gratulieren. Beim Anblick seines verfallenen und abgezehrten Gesichts mit den weißen, zuckenden Lippen weinten ausnahmslos alle still vor sich hin.
    »Oui, mes amis, ich wundere mich nur, daß Ihr alle Euch so viele … Sorgen macht. Morgen werde ich wahrscheinlich das Bett verlassen, und wir werden … uns auf den Weg machen … Toute cette cérémonie … der ich selbstverständlich … die gebührende … war …«
    »Ich bitte Sie, unbedingt eine Weile bei dem Kranken zu bleiben«, hielt Warwara Petrowna rasch den Priester zurück, der seinen Ornat bereits abgelegt hatte. »Sobald der Tee gereicht wird, bitte ich Sie, unverzüglich über Göttliches zu reden, um seinén Glauben zu stärken.«
    Der Geistliche begann zu sprechen; alle saßen oder standen um das Bett des Kranken herum.
    »In unserer sündigen Zeit«, sprach der Geistliche getragen, die Teetasse in der Hand, »ist der Glaube an den Allerhöchsten die einzige Zuflucht des Menschengeschlechts in aller Trübsal und allen Prüfungen des Lebens sowie auch in der Hoffnung auf die ewige Seligkeit, die den Gerechten verheißen ist …«
    Stepan Trofimowitsch schien sich zu beleben; ein feines Lächeln lag auf seinen Lippen.
    » Mon père, je vous remercie, et vous êtes bien bon, mais  …«
    »Keineswegs ›mais‹, überhaupt kein ›mais‹!« rief Warwara Petrowna und fuhr von ihrem Stuhl in die Höhe. »Oh, das ist ein solcher Mensch«, wandte sie sich an den Geistlichen, »ein solcher Mensch … daß man ihn in einer Stunde noch einmal beichten lassen müßte! Ein solcher Mensch ist er!«
    Stepan Trofimowitsch lächelte zurückhaltend.
    »Meine Freunde«, sagte er, »Gott ist mir schon allein deshalb unentbehrlich, weil Er das einzige Wesen ist, das man ewig lieben kann …«
    Ob er nun wirklich zum Glauben gefunden oder ob die erhabene Zeremonie der Heiligen Sakramente ihn erschüttert und die künstlerische Empfänglichkeit seiner Natur angesprochen hat – er soll jedenfalls mit Festigkeit und, wie man sagt, mit tiefem Gefühl einige Worte gesagt haben, die manchen seiner früheren Überzeugungen geradezu widersprachen.
    »Meine Unsterblichkeit ist schon allein deshalb unentbehrlich, weil Gott kein Unrecht wird begehen und das Feuer der Liebe, die in meinem Herzen für Ihn entbrannt ist, endgültig wird auslöschen wollen. Und was gibt es Kostbareres denn die Liebe! Die Liebe ist höher als das Sein, die Liebe ist die Krone des Seins, und wie wäre es möglich, daß das Sein ihr nicht untertan wäre? Wenn ich einmal in Liebe zu Ihm entbrannt bin und über diese meine Liebe frohlocke – wie wäre es möglich, daß Er mich und meine Freude auslöschte und uns zu einer Null machte? Wenn es einen Gott gibt, so bin auch ich unsterblich! Voilà ma profession de foi .«
    »Es gibt einen Gott, Stepan Trofimowitsch. Ich versichere Ihnen, es gibt einen Gott«, Warwara Petrowna flehte ihn förmlich an, »widerrufen Sie, legen Sie all Ihre Dummheiten wenigstens einmal im Leben ab.« (Sie schien seine profession de foi nicht ganz verstanden zu haben.)
    »Meine Freundin«, er geriet immer wieder in Feuer, obwohl seine Stimme häufig versagte, »meine Freundin, als ich diese … diese dargebotene Backe verstand, habe ich … auch einiges mehr verstanden … J’ai menti toute ma vie  … mein ganzes, ganzes Leben lang! Ich möchte … Übrigens werde ich morgen … Morgen machen wir uns alle auf den Weg.«
    Warwara Petrowna brach in Tränen aus. Er suchte jemand mit dem Blick. »Hier ist sie, sie ist hier!« Sie packte Sofja Matwejewna bei der Hand, führte sie vor ihn. Er lächelte gerührt.
    »Oh, ich würde sehr gern noch einmal leben!« rief er in einem heftigen Aufwallen von Energie. »Jede Minute, jeder

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