Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
der Diener bei der Haustür einholte:
»Die Gnädigste bitten sehr zurückzukommen …«
»Die Gnädigste oder Lisaweta Nikolajewna?«
»Dieselbige, gnädiger Herr.«
Ich traf Lisa nicht mehr in dem großen Salon an, wo wir vorhin gesessen hatten, sondern in dem benachbarten Empfangsraum. Die Tür zum Salon, in dem sich Mawrikij Nikolajewitsch wohl allein aufhielt, war geschlossen.
Lisa lächelte mir zu, aber sie war blaß. Sie stand mitten im Zimmer, sichtlich unentschlossen und sichtlich mit sich ringend; plötzlich nahm sie mich bei der Hand und führte mich schweigend mit raschen Schritten ans Fenster.
»Ich will sie unverzüglich sehen«, flüsterte sie und sah mich mit einem heißen, zwingenden, ungeduldigen, auch nicht den Schatten eines Widerspruchs duldenden Blick an. »Ich muß sie mit eigenen Augen sehen und bitte um Ihre Hilfe.«
Sie war völlig außer sich und – verzweifelt.
»Wen wünschen Sie zu sehen, Lisaweta Nikolajewna?« erkundigte ich mich erschrocken.
»Diese Lebjadkina, diese Lahme … Stimmt es, daß sie hinkt?«
Ich war wie vom Blitz getroffen.
»Ich habe sie nie gesehen, aber ich habe gehört, daß sie hinkt, noch gestern«, stammelte ich bereitwillig und ebenfalls flüsternd.
»Ich muß sie unbedingt sehen. Können Sie das heute noch arrangieren?«
Nun tat sie mir furchtbar leid.
»Das ist unmöglich, und außerdem wüßte ich nicht, wie man das bewerkstelligt«, sagte ich beschwichtigend, »ich werde zu Schatow gehen …«
»Wenn Sie es bis morgen nicht arrangieren, werde ich selbst hingehen, allein, weil Mawrikij Nikolajewitsch sich geweigert hat. Sie sind meine einzige Hoffnung, ich habe sonst keinen Menschen; bei dem Gespräch mit Schatow habe ich mich dumm angestellt … Ich bin sicher, daß Sie ein absolut ehrlicher und vielleicht ein mir ergebener Mann sind, arrangieren Sie es nur.«
Ein leidenschaftlicher Wunsch, ihr in allem zu helfen, stieg in mir auf.
»Ich weiß, was ich zu tun habe«, sagte ich nach kurzem Überlegen, »ich werde selbst hingehen, und ich werde sie heute bestimmt, bestimmt sehen! Ich werde es so einrichten, daß ich sie sehen kann, sie haben mein Ehrenwort; aber – erlauben Sie mir nur, Schatow ins Vertrauen zu ziehen.«
»Sagen Sie ihm, daß es mein Wunsch ist und daß ich nicht länger warten kann, aber daß ich ihn vorhin nicht täuschen wollte. Vielleicht ist er fortgegangen, weil er ein sehr ehrlicher Mensch ist und glaubte, ich wollte ihn täuschen, das mißfiel ihm. Aber ich wollte ihn nicht täuschen; ich will wirklich Bücher verlegen und eine Druckerei gründen …«
»Er ist ehrlich, durch und durch ehrlich«, bestätigte ich mit Nachdruck.
»Also, wenn es sich bis morgen nicht arrangieren läßt, werde ich selbst hingehen, was auch daraus werden und wer auch alles es erfahren mag.«
»Aber vor drei kann ich morgen nicht bei Ihnen sein«, bemerkte ich, inzwischen etwas ernüchtert.
»Also, um drei. Demnach habe ich gestern bei Stepan Trofimowitsch mit meiner Annahme recht gehabt, daß Sie mir ein wenig ergeben sind?« Sie lächelte, drückte mir zum Abschied hastig die Hand und eilte zu dem alleingelassenen Mawrikij Nikolajewitsch.
Mein Versprechen bedrückte mich, als ich fortging, und ich konnte kaum begreifen, was eigentlich vorgefallen war. Ich hatte eine Frau gesehen, die sich in echter Verzweiflung befand, die nicht davor zurückschreckte, sich vor einem ihr nahezu unbekannten Menschen durch ihr Vertrauen zu kompromittieren. Ihr weibliches Lächeln in einem für sie so schweren Augenblick und die Andeutung, sie habe schon gestern meine Gefühle für sie bemerkt, trafen mich wie ein Stich ins Herz; aber ich hatte Mitleid mit ihr, Mitleid – das war alles! Ihre Geheimnisse waren für mich auf einmal geheiligt, und sogar wenn jemand mich nun hätte einweihen wollen, hätte ich mir wahrscheinlich die Ohren zugehalten, um nichts weiter zu hören. Ich hatte nur eine unbestimmte Ahnung … Allerdings hatte ich keine Ahnung, auf welche Weise ich etwas arrangieren könnte, mehr noch, ich wußte auch jetzt noch nicht, was ich eigentlich arrangieren sollte: ein Treffen, aber was für ein Treffen? Und wie sollte ich die beiden zusammenbringen? Meine ganze Hoffnung setzte ich auf Schatow, obwohl ich von vornherein damit rechnen mußte, daß von ihm keinerlei Hilfe zu erwarten war. Trotzdem eilte ich zu ihm.
IV
ERST abends, nach sieben, traf ich ihn zu Hause an. Zu meinem Erstaunen war Besuch da – Alexej Nilytsch und
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