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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Julija Michajlowna mit erstaunlicher Liebenswürdigkeit, »da ich … durchaus im Bilde bin, was für ein kapriziöses und eigenwilliges Köpfchen auf diesen hübschen Schultern sitzt« (und Julija Michajlowna lächelte gewinnend) …
    »Meinen verbindlichsten Dank.« Warwara Petrowna dankte mit einer überaus höflichen und gravitätischen Verneigung.
    »Ich empfinde es um so angenehmer«, plauderte Julija Michajlowna weiter, inzwischen beinahe enthusiasmiert, wobei sie vor angenehmer Erregung sogar errötete, »weil Lisa im Augenblick außer von dem Vergnügen, bei Ihnen zu sein, sich von einem so schönen, von einem so – ich möchte sagen – erhabenen Gefühl … des Mitleids …« (mit einem Blick auf die »Unglückliche«) »leiten läßt … und … ausgerechnet unter dem Kirchenportal …«
    »Diese Auffassung gereicht Ihnen zur Ehre.« Die Billigung Warwara Petrownas klang majestätisch. Julija Michajlowna streckte ihr eilig die Hand entgegen, und Warwara Petrowna berührte sie bereitwilligst mit den Fingern. Der allgemeine Eindruck war hervorragend, die Gesichter einiger Anwesenden strahlten vor Vergnügen, und man sah manches süßliche und unterwürfige Lächeln.
    Kurz, der ganzen Stadt wurde mit einem Schlage klar, daß es nicht Julija Michajlowna war, die bis jetzt Warwara Petrowna geringgeschätzt und ihr keinen Besuch abgestattet hatte, sondern daß, ganz im Gegenteil, Warwara Petrowna “Julija Michajlowna in die gebührenden Schranken gewiesen hat, während letztere möglicherweise zu Fuß zu ihr geeilt wäre, wenn sie nur mit Sicherheit gewußt hätte, daß Warwara Petrowna sie überhaupt empfangen würde”.
    Warwara Petrownas Ansehen stieg ins Unermeßliche.
    »Steigen Sie ein, meine Liebe«, sagte Warwara Petrowna zu M lle. Lebjadkina und deutete auf die vorgefahrene Equipage; die »Unglückliche« lief hocherfreut zum Schlag, wo ein Lakai sie auffing.
    »Wie! Sie hinken!« rief Warwara Petrowna ganz so, als wäre sie erschrocken, und wurde kreidebleich. (Alle hatten es damals gemerkt, hatten es aber nicht verstanden …)
    Die Equipage fuhr an. Das Haus Warwara Petrownas lag in unmittelbarer Nähe der Kirche. Später erzählte mir Lisa, daß die Lebjadkina während der ganzen drei Minuten dauernden Fahrt hysterisch gelacht, Warwara Petrowna aber »wie in einem magnetischen Schlaf« dagesessen hätte, so drückte sich Lisa wörtlich aus.

Fünftes Kapitel
    Die allerlistigste Schlange
    I
    WARWARA Petrowna läutete und ließ sich in einen Sessel vor dem Fenster fallen.
    »Setzen Sie sich dorthin, meine Liebe.« Sie wies Marja Timofejewna einen Platz mitten im Zimmer an, hinter einem großen runden Tisch; »Stepan Trofimowitsch, hier, sehen Sie sich diese Frau an, was ist das?«
    »Ich … ich …«, stammelte Stepan Trofimowitsch …
    Aber da erschien ein Lakai.
    »Eine Tasse Kaffee, sofort, so schnell wie möglich! Nicht ausspannen.«
    » Mais, chère et excellente amie, dans quelle inquiétude  …«, rief Stepan Trofimowitsch mit versagender Stimme.
    »Ach! Französisch, Französisch! Man merkt sofort, das ist die große Welt!« Marja Timofejewna klatschte in die Hände und machte sich voll Entzücken darauf gefaßt, einer Unterhaltung in Französisch zu lauschen. Warwara Petrowna starrte sie beinahe erschrocken an.
    Wir alle schwiegen und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Schatow saß immer noch mit gesenktem Kopf da, und Stepan Trofimowitsch war so erregt, als sei er an allem schuld; auf seinen Schläfen perlte Schweiß. Ich warf einen Blick auf Lisa (sie saß in der Ecke, beinahe Seite an Seite mit Schatow). Ihr aufmerksamer Blick wanderte zwischen Warwara Petrowna und der hinkenden Frau hin und her; ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, aber es war ein ungutes Lächeln. Warwara Petrowna sah dieses Lächeln. Währenddessen gab sich Marja Timofejewna völlig ihrem Entzücken hin; mit Lust und ohne die geringste Verlegenheit betrachtete sie Warwara Petrownas prachtvollen Salon – die Möbel, die Teppiche, die Bilder an den Wänden, den alten ausgemalten Plafond, das große bronzene Kruzifix in der Ecke, die Porzellanlampe, die Alben, die Nippsachen auf dem Tisch.
    »Du bist also auch hier, Schatuschka!« rief sie plötzlich. »Stell dir vor, ich sehe dich schon lange, aber ich denke: Er ist es nicht! Wer hätte ihn hergefahren!« Und sie lachte vergnügt.
    »Sie kennen diese Frau?« Warwara Petrowna wandte sich sofort nach ihm um.
    »Ich kenne sie«, murmelte

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