Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Schatow und machte Anstalten aufzustehen, blieb aber sitzen.
»Was wissen Sie? Bitte, beeilen Sie sich!«
»Was soll ich schon …«, er grinste überflüssigerweise und stockte … »Sie sehen es doch selbst.«
»Was sehe ich? So reden Sie doch!«
»Sie wohnt im selben Haus wie ich … mit ihrem Bruder … irgendein Offizier.«
»Und?«
Schatow stockte abermals.
»Es lohnt sich nicht zu reden …«, knurrte er und verstummte entschlossen. Vor lauter Entschlossenheit errötete er sogar.
»Natürlich, was kann man von Ihnen schon erwarten!« brach Warwara Petrowna erzürnt die Unterhaltung ab. Jetzt war ihr klar geworden, daß alle etwas wissen, alle aber vor etwas kneifen, ihren Fragen ausweichen und etwas vor ihr verheimlichen möchten.
Der Lakai trat ein und bot ihr auf einem silbernen Tablett die vorhin bestellte Tasse Kaffee, ging aber auf ihren Wink sogleich zu Marja Timofejewna.
»Sie sind vorhin sehr kalt geworden, meine Liebe, trinken Sie rasch, um wieder warm zu werden!«
»Merci«, Marja Timofejewna nahm die Tasse, prustete aber plötzlich vor Lachen, weil sie zu einem Lakaien »merci« gesagt hatte. Aber Warwara Petrownas drohender Blick, dem sie begegnete, schüchterte sie sofort ein, und sie stellte die Tasse auf den Tisch.
»Aber Sie sind mir doch nicht böse, Tante?« lallte sie schelmisch und verspielt.
»Wa-as?« Warwara Petrowna fuhr hoch und richtete sich in ihrem Sessel kerzengerade auf. »Tante? Was soll das heißen? Was wollen Sie damit sagen?«
Marja Timofejewna, die mit einem solchen Zornesausbruch nicht gerechnet hatte, begann am ganzen Leib wie in einem Anfall zu zittern und wich in ihrem Sessel zurück.
»Ich … Ich glaubte, das gehört sich so«, lallte sie, ohne den Blick von Warwara Petrowna abzuwenden. »Lisa hat Sie doch so genannt.«
»Was für eine Lisa?«
»Hier, dieses Fräulein.« Marja Timofejewna zeigte mit dem kleinen Finger auf Lisa.
»Sie ist also für Sie bereits ›Lisa‹?«
»Sie haben sie doch vorhin selbst so genannt!« Marja Timofejewna faßte wieder Mut. »Und einmal habe ich im Traum genau so eine Schöne gesehen.« Sie lächelte fast wie geistesabwesend.
Warwara Petrowna besann sich und beruhigte sich ein wenig; sie lächelte sogar kaum merklich über Marja Timofejewnas letzte Worte. Sobald diese ihr Lächeln aufgefangen hatte, erhob sie sich schüchtern aus ihrem Sessel und ging hinkend auf sie zu.
»Hier nehmen Sie ihn, verübeln Sie mir meine Unhöflichkeit nicht!« Mit diesen Worten nahm sie plötzlich den schwarzen Schal, den Warwara Petrowna ihr vor der Kirche umgelegt hatte, wieder von den Schultern.
»Legen Sie ihn sofort wieder um, und behalten Sie ihn für immer! Gehen Sie wieder auf Ihren Platz, setzten Sie sich hin und trinken Sie ihren Kaffee. Sie brauchen vor mir keine Angst zu haben, meine Liebe, bitte, beruhigen Sie sich. Langsam verstehe ich Sie.«
»Chère amie …«, wagte Stepan Trofimowitsch sich noch einmal vor.
»Ach, Stepan Trofimowitsch, hier verliert man auch schon ohne Sie den Verstand! Haben wenigstens Sie mit mir Erbarmen … Bitte, läuten Sie, die Glocke ist gleich neben Ihnen, nach dem Kammermädchen.«
Darauf trat allgemeines Schweigen ein. Ihr Blick wanderte argwöhnisch und gereizt von einem unserer Gesichter zum nächsten. Agascha kam, das von ihr favorisierte Kammermädchen.
»Das karierte Tuch, das ich in Genf gekauft habe. Was macht Darja Pawlowna?«
»Sie fühlen sich nicht ganz wohl.«
»Geh und bitte sie, hierherzukommen. Und sag auch, daß ich sie sehr darum bitte, selbst wenn sie sich unwohl fühlt.«
In diesem Augenblick hörte man aus den anliegenden Räumen abermals einen irgendwie auffallenden Lärm von Schritten und Stimmen, ähnlich dem von vorhin, und auf der Schwelle erschien plötzlich eine atemlose und »aufgelöste« Praskowja Iwanowna. Mawrikij Nikolajewitsch führte sie am Arm.
»O Gott, der Weg hierher hat mich meine letzte Kraft gekostet; Lisa, du bist ja wahnsinnig! Was tust du mit deiner Mutter!« kreischte sie, wobei sich in diesem Kreischen nach der Gewohnheit aller schwachen, aber besonders reizbaren Naturen alles entlud, was sich an Gereiztheit in ihnen angesammelt hatte.
»Warwara Petrowna, meine Gute, ich komme zu Ihnen, um meine Tochter abzuholen!«
Warwara Petrowna warf ihr unter der gesenkten Stirn einen Blick zu, erhob sich halb, um sie zu begrüßen, und sagte, ihren Ärger kaum verhehlend:
»Guten Tag, Praskowja Iwanowna, tu mir den Gefallen und nimm
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