Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
mochte. Jetzt brachte sie alle ihre Antworten ohne jede Eile vor, beantwortete alle Fragen sofort, genau, gemessen, ohne auch nur eine Spur ihrer anfänglichen plötzlichen Erregung und ohne die leiseste Verlegenheit, die von dem Bewußtsein einer noch so geringen Schuld hätte zeugen können. Warwara Petrownas Blick ruhte unverwandt auf ihr, die ganze Zeit, während sie sprach. Darauf überlegte Warwara Petrowna gut eine Minute lang.
»Wenn«, sprach sie endlich fest und augenscheinlich zu den Zuschauern, obwohl sie nur Dascha ansah, »wenn Nikolaj Wsewolodowitsch mit seinem Auftrag sich sogar nicht an mich gewendet, sondern dich bemüht hat, muß er selbstverständlich seine Gründe gehabt haben, so zu handeln. Ich halte mich nicht für berechtigt, neugierig auf sie zu sein, wenn man sie vor mir geheimhalten will. Aber schon allein deine Beteiligung an dieser Sache beruhigt mich ganz und gar über ihre Natur, das mußt du wissen, Darja, das vor allem. Aber, siehst du, mein gutes Kind, du hättest auch mit reinem Gewissen, in deiner Unkenntnis der Welt, eine Unbedachtsamkeit begehen können; und du hast eine Unbedachtsamkeit begangen, indem du es übernommen hast, mit irgendeinem Schurken in Verbindung zu treten. Die Gerüchte, die dieser Schuft verbreitet, bestätigen den von dir begangenen Fehler. Aber ich werde meine Erkundigungen über ihn einziehen, und da ich deine Beschützerin bin, werde ich für dich einzutreten wissen. Und jetzt ist es Zeit, ein Ende zu machen.«
»Am besten schickt man ihn, wenn er zu Ihnen kommt«, mischte sich plötzlich Marja Timofejewna ein und reckte sich in ihrem Sessel in die Höhe, »einfach in die Gesindestube. Soll er dort auf der Bank mit den anderen Karten klopfen. Und wir werden hier sitzen und Kaffee trinken. Eine Tasse Kaffee, die könnte man ihm schon gönnen, aber ich verachte ihn tief.«
Und sie nickte nachdrücklich.
»Es ist Zeit, ein Ende zu machen«, wiederholte Warwara Petrowna, nachdem sie Marja Timofejewna sehr genau angehört hatte. »Läuten Sie, Stepan Trofimowitsch, ich bitte Sie.«
Stepan Trofimowitsch läutete und trat plötzlich einen Schritt vor, in größter Erregung.
»Wenn … wenn ich …«, begann er mit Feuer, errötend, stockend und stotternd, »wenn auch mir … eine ganz abscheuliche Geschichte oder, besser gesagt, Verleumdung zu Ohren gekommen ist … so … höchste Empörung … enfin, c’est un homme perdu et quelque chose comme un forçat évadé …«
Er stockte und brach ab; Warwara Petrowna kniff die Augen zusammen und maß ihn mit dem Blick vom Kopf bis zu den Füßen. Es erschien der würdevolle Alexej Jegorowitsch.
»Den Wagen!« befahl Warwara Petrowna. »Und mach dich bereit, Alexej Jegorowitsch, Madame Lebjadkina nach Hause zu begleiten, sie wird dir selber sagen, wohin.«
»Herr Lebjadkin erwarten die Dame bereits seit geraumer Zeit unten und wünschen sehr, gemeldet zu werden.«
»Das ist unmöglich, Warwara Petrowna«, mischte sich plötzlich Mawrikij Nikolajewitsch ein, der die ganze Zeit unerschütterlich geschwiegen hatte; »wenn Sie gestatten, er ist keineswegs ein Mensch, der in die Gesellschaft Eingang finden sollte, das ist … das ist … das ist ein unmöglicher Mensch, Warwara Petrowna.«
»Warten«, befahl Warwara Petrowna Alexej Jegorowitsch, worauf dieser verschwand.
» C’est un homme malhonnête et je crois même que c’est un forçat évadé ou quelque chose dans ce genre «, murmelte wieder Stepan Trofimowitsch, errötete wieder und brach wieder ab.
»Lisa, für uns wird es Zeit«, verkündete Praskowja Iwanowna angewidert und traf Anstalten, sich zu erheben. Sie bedauerte wohl, daß sie soeben, erschrocken, wie sie war, sich selbst eine dumme Gans genannt hatte. Schon während Darja Pawlowna sprach, hatte sie mit hochmütig geschürzten Lippen zugehört. Am meisten aber verblüffte mich der Gesichtsausdruck Lisaweta Nikolajewnas seit dem Erscheinen von Darja Pawlowna: In ihren Augen funkelte Haß und Verachtung, ganz unverhohlen.
»Warte noch einen Augenblick, Praskowja Iwanowna, ich bitte dich«, hielt sie Warwara Petrowna mit derselben übermäßigen Ruhe zurück. »Tu mir den Gefallen, und bleib noch einen Augenblick sitzen, ich habe die Absicht, alles auszusprechen, und dir tun die Beine weh. So ist’s recht, ich danke dir. Vorhin habe ich die Beherrschung verloren und einige ungeduldige Worte zu dir gesagt. Tu mir den Gefallen, und verzeih mir; das war dumm von mir, und ich bereue
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