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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Wirklich? Denn auch das ist bei uns möglich, denn wir reden und reden, aber vor allem als Stilübung … oh, Warwara Petrowna, ich bin überzeugt, daß auch Sie mich jetzt möglicherweise verurteilen, und zwar eben wegen meines Stils …«
    »Im Gegenteil, im Gegenteil. Ich sehe, daß Sie die Geduld verlieren und natürlich Ihre Gründe dafür haben«, fiel ihm Warwara Petrowna erbost ins Wort.
    Sie hatte mit boshafter Genugtuung alle »wahrheitsgetreuen« Ergüsse Pjotr Stepanowitschs angehört, der offensichtlich eine Rolle spielte (welche – das wußte ich damals nicht, aber er spielte offensichtlich eine Rolle, sogar viel zu outriert).
    »Im Gegenteil«, fuhr sie fort, »ich bin Ihnen außerordentlich dankbar, daß Sie davon angefangen haben; ohne Sie hätte ich es nie erfahren. Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren gehen mir jetzt die Augen auf. Nikolaj Wsewolodowitsch, Sie sagten doch vorhin, Sie seien eigens unterrichtet worden: Hat Stepan Trofimowitsch etwa auch an Sie in derselben Art geschrieben?«
    »Ich habe von ihm den unschuldigsten und … und … einen sehr vornehmen Brief erhalten.«
    »Sie zögern, Sie suchen nach Worten – genug! Stepan Trofimowitsch, ich erwarte von Ihnen ein außerordentliches Entgegenkommen«, wandte sie sich plötzlich mit funkelnden Augen an diesen, »tun Sie mir den Gefallen, und verlassen Sie uns sofort und unterstehen Sie sich, künftig die Schwelle meines Hauses zu betreten.«
    Ich bitte, sich an die »Exaltation« von vorhin zu erinnern, die sich auch jetzt noch nicht gelegt hatte. Zugegeben, was hatte Stepan Trofimowitsch sich nicht alles geleistet! Aber eines hat mich damals entschieden verblüfft: die bewundernswerte Würde, mit der er sowohl die »Enthüllungen« Petruschas überstand, ohne den leisesten Versuch, sie zu unterbrechen, als auch den »Bannspruch« Warwara Petrownas. Woher kam seine Courage? Ich verstand nur, daß ihn ohne Zweifel die erste Begegnung mit Petruscha tief verletzt hatte, und zwar gleich beim Umarmen. Es war ein tiefer und wirklicher Schmerz, jedenfalls in seinen Augen, für sein Gefühl. Er empfand in jenem Augenblick auch noch einen anderen Schmerz, und zwar das ätzende Bewußtsein davon, daß er niederträchtig gehandelt hatte; letzteres gestand er mir später in aller Offenheit. Nun kann ein wirklicher eindeutiger Schmerz sogar einen phänomenal leichtfertigen Menschen zuweilen in einen vertrauenswürdigen und standhaften verwandeln, sei es auch nur für kurze Zeit; mehr noch, durch wahren, wirklichen Schmerz sind sogar aus Narren kluge Köpfe geworden, wenn selbstverständlich auch nur für kurze Zeit; das ist eben eine Eigenschaft des Schmerzes. Wenn es sich aber so verhält, was hätte nicht alles mit einem solchen Menschen wie Stepan Trofimowitsch geschehen können? Eine Verwandlung – ebenfalls auf Zeit, natürlich.
    Er verbeugte sich würdevoll vor Warwara Petrowna, ohne ein Wort zu sagen (freilich blieb ihm auch nichts anderes übrig). Er war schon dabei, das Zimmer zu verlassen, brachte es aber doch nicht über sich und ging auf Darja Pawlowna zu. Sie schien es geahnt zu haben, denn sie begann sofort, ganz erschrocken als erste zu reden, als beeilte sie sich, ihm zuvorzukommen:
    »Bitte, Stepan Trofimowitsch, Sie brauchen nichts zu sagen, um Gottes willen!« begann sie erregt und schnell, mit schmerzerfüllter Miene, und streckte ihm hastig die Hand entgegen. »Seien Sie überzeugt, daß ich Sie unverändert achte … und unverändert schätze, und … denken Sie auch gut von mir, und das wird für mich sehr, sehr viel bedeuten …«
    Stepan Trofimowitsch verbeugte sich tief, sehr tief vor ihr.
    »Es ist dein Wille, Darja Pawlowna, du weißt, daß in dieser Angelegenheit einzig und allein dein Wille gilt! So war es, und so wird es in alle Zukunft bleiben«, schloß Warwara Petrowna mit Nachdruck.
    »O je! Jetzt wird auch mir alles klar!« Pjotr Stepanowitsch schlug sich vor die Stirn. »Aber … aber in welche Lage hast du mich gebracht? Darja Pawlowna, ich bitte Sie, verzeihen Sie mir! … Was hast du mir eingebrockt?« wandte er sich an seinen Vater.
    »Pierre, du könntest dich eigentlich im Gespräch mit mir etwas anders ausdrücken, nicht wahr, mein Freund?« sagte Stepan Trofimowitsch ganz leise.
    »Brüll nicht, ich bitte dich!« Pierre winkte mit beiden Händen ab. »Glaub mir, das sind nur die alten, kranken Nerven, und alles Brüllen führt zu nichts. Du hättest es mir deutlicher sagen sollen, du konntest

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