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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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aufgetaucht, zu meinem Leidwesen jedesmal in meiner Abwesenheit. Das erste Mal besuchte er ihn am Mittwoch, also am vierten Tag nach jener ersten Begegnung, und auch das nur geschäftlich. Übrigens nahm die Abrechnung bezüglich des Gutes zwischen den beiden ein irgendwie unhörbares und unsichtbares Ende. Warwara Petrowna hatte alles übernommen und alles bezahlt, wobei das Gütchen selbstverständlich in ihren Besitz überging und Stepan Trofimowitsch lediglich davon benachrichtigt wurde, daß alles erledigt sei, und ihr Bevollmächtigter und Kammerdiener Alexej Jegorowitsch ihm irgend etwas zum Unterzeichnen vorlegte, was er stumm und mit außerordentlicher Würde tat. Der Ausdruck »Würde« veranlaßt mich zu bemerken, daß ich unseren früheren alten Herrn in diesen Tagen kaum wiedererkannte. Er zeigte eine Contenance wie nie zuvor, war erstaunlich schweigsam, hatte sogar seit jenem Sonntag nicht einen einzigen Brief an Warwara Petrowna geschrieben, was ich früher für ein Wunder gehalten hätte, und wirkte, das war die Hauptsache, vollkommen ruhig. Er mußte auf eine endgültige und außergewöhnliche Idee gekommen sein, die ihm diese Ruhe schenkte, das sah man ihm an. Er war gestärkt durch diese Idee, saß da und wartete. Anfangs war er übrigens unpäßlich, insbesondere am Montag; es war die Cholerine. Und auch ohne Nachrichten konnte er während dieser ganzen Zeit einfach nicht leben; aber sobald ich die Fakten beiseite ließ, zum Wesen der Sache überging und irgendwelche Vermutungen äußerte, winkte er mit beiden Händen ab, um mich zum Schweigen zu bringen. Aber die zwei Besuche seines Söhnchens hatten ihn trotz allem sehr angegriffen, wenn auch nicht schwankend gemacht. An den beiden Tagen, nach den Besuchen, lag er auf dem Sofa, ein mit verdünntem Essig getränktes Tuch um den Kopf; aber im höheren Sinne blieb er ruhig.
    Manchmal aber winkte er auch nicht ab. Manchmal kam es mir auch so vor, als verließe ihn seine rätselhafte Entschlossenheit und als kämpfe er gegen einen neuen verführerischen Andrang von Ideen. Das waren nur Augenblicke, aber ich lasse sie nicht unerwähnt. Ich ahnte, daß er zu gern sich wieder im Vordergrund gezeigt, die Einsamkeit hinter sich gelassen, den Kampf angesagt und die letzte Schlacht geschlagen hätte.
    »Cher, ich würde sie zerschmettern!« entfuhr es ihm am Donnerstag, nach dem zweiten Besuch von Pjotr Stepanowitsch, als er ausgestreckt auf dem Sofa lag, den Kopf mit einem Handtuch umwickelt.
    Bis zu dieser Minute hatte er den ganzen Tag noch keine Silbe mit mir gesprochen.
    »›Fils, fils chéri‹, und so weiter, zugegeben, alle diese Ausdrücke sind Unsinn, aus dem Vokabular einer Köchin, ich sehe es ein, meinetwegen, ich sehe es jetzt selbst. Ich habe ihn nicht gehegt und nicht gepflegt, ich habe ihn aus Berlin in das Gouvernement … geschickt, einen Säugling, mit der Post, und so weiter, zugegeben … ›Du hast mich‹, sagt er, ›nicht gehegt und mich mit der Post verschickt, und hier hast du mich auch noch ausgeplündert.‹ Aber, o Unglücklicher! rufe ich ihm entgegen, aber in meinem Herzen habe ich mein ganzes Leben lang deinetwegen gelitten, trotz der Post! Il rit. Aber zugegeben, zugegeben … und wenn auch mit der Post.« Zum Schluß redete er wie im Fieber.
    » Passons !« begann er fünf Minuten später von neuem. »Ich kann Turgenjew nicht verstehen. Sein Basarow ist eine Fiktion, eine Person, die es nicht gibt; und sie waren ja die ersten, die ihn damals als eine Unmöglichkeit ablehnten. Dieser Basarow ist eine trübe Mischung aus Nosdrjow und Byron , c’est le mot . Man betrachte sie doch einmal aufmerksam: Sie schlagen Purzelbäume und winseln vor Freude wie Welpen in der Sonne, sie sind glücklich, sie sind die Sieger! Von wegen Byron! … Und dabei diese Alltäglichkeit! Diese reizbare Eigenliebe des Domestiken! Dieses ordinäre Bedürfnis de faire du bruit autour de son nom , ohne zu merken, daß son nom … Welch eine Karikatur! Gnade, rufe ich ihm zu, hast du denn wirklich vor, dich so, wie du bist, den Menschen anstelle von Christus anzubieten? Il rit . Il rit beaucoup, il rit trop . Sein Lächeln ist irgendwie sonderbar. Das Lächeln seiner Mutter war anders. Il rit toujours .«
    Und wieder trat Schweigen ein.
    »Sie sind verschlagen; am Sonntag hatten sie sich abgesprochen …«, platzte er plötzlich heraus.
    »O ja, zweifellos!« rief ich und spitzte die Ohren. »Es war ein abgekartetes Spiel, mit weißem Faden

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