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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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dürstete, und daß sie bereits anfing, sich »im Kreise eines Gefolges« zu sehen. Ein Teil der Gesellschaft gestand ihr praktischen Verstand und Taktgefühl zu … doch davon später. Durch ihre Protektion waren zum Teil auch die schnellen Erfolge Pjotr Stepanowitschs in unserer Gesellschaft zu erklären – Erfolge, die damals Stepan Trofimowitsch ganz besonders verblüfften.
    Vielleicht hatten wir beide auch übertrieben. Erstens hatte Pjotr Stepanowitsch sich fast augenblicklich in der ganzen Stadt bekannt gemacht, gleich in den ersten vier Tagen nach seiner Ankunft. Er war am Sonntag angekommen, und bereits am Dienstag sah ich ihn in einer Kutsche an der Seite Artemij Pawlowitsch Gaganows, dieses, ungeachtet seiner weltmännischen Manieren, reizbaren und hochmütigen Mannes, dessen Charakter den Umgang mit ihm nicht eben leicht machte. Auch im Hause des Gouverneurs erfreute sich Pjotr Stepanowitsch der besten Aufnahme, derart, daß er augenblicklich die Rolle eines eng bekannten oder, besser gesagt, mit Gunstbezeigungen überhäuften jungen Mannes übernahm; fast täglich speiste er bei Julija Michajlowna. Er hatte sie bereits in der Schweiz kennengelernt, aber seinem raschen Erfolg im Hause Seiner Exzellenz haftete tatsächlich etwas Kurioses an. Immerhin hatte er einst als ausländischer Revolutionär gegolten, gleichgültig, ob das der Wirklichkeit entsprach oder nicht, hatte sich an irgendwelchen ausländischen Editionen und Kongressen beteiligt, »was sich sogar aus Zeitungen beweisen läßt«, wie Aljoscha Teljatnikow mir gegenüber bei einer Begegnung aufgebracht äußerte, heute ein – hélas! – kleiner Beamter a. D., einst ein ebenfalls mit Gunstbezeigungen überhäufter junger Mann im Hause des vorigen Gouverneurs. Aber da gab es ein Faktum: Der einstige Revolutionär kehrte in sein geliebtes Vaterland nicht nur völlig unbehelligt zurück, sondern schien nahezu willkommen; folglich könnte gegen ihn auch nichts vorgelegen haben. Liputin flüsterte mir einmal zu, Pjotr Stepanowitsch habe, wie man höre, irgendwo Reue bekundet und, nicht ohne einige andere Namen zu nennen, Absolution erhalten, wodurch er, möglicherweise, seine Schuld bereits getilgt habe, mit dem Gelöbnis, auch künftig sich seinem Vaterlande nützlich zu erweisen. Ich überbrachte diese giftige Äußerung Stepan Trofimowitsch, und obwohl er fast außerstande war, überhaupt etwas zu begreifen, wurde er doch sehr nachdenklich. In der Folge sollte sich herausstellen, daß Pjotr Stepanowitsch bei seiner Ankunft mit außerordentlich ehrfurchtsgebietenden Empfehlungsschreiben ausgestattet war, jedenfalls mit einem Brief an die Gattin des Gouverneurs, von der Hand einer außerordentlich einflußreichen alten Dame, deren Gatte zu den allerbedeutendsten alten Herren in Petersburg zählte. Diese alte Dame, Julija Michajlownas Patin, verwies in ihrem Brief darauf, daß auch von dem Grafen K., mit dem Pjotr Stepanowitsch durch Nikolaj Wsewolodowitschs Vermittlung gut bekannt sei, er freundlichst empfangen und für einen »hoffnungsvollen jungen Mann, ungeachtet seiner früheren Verirrungen«, gehalten werde. Julija Michajlowna legte größten Wert auf ihre spärlichen und mit solcher Mühe unterhaltenen Beziehungen zur »großen Welt« und war über einen Brief der einflußreichen alten Dame selbstverständlich erfreut, und dennoch haftete dem allen auch irgend etwas ganz Besonderes an. Sogar ihren Gatten brachte sie in beinahe familiäre Beziehungen zu Pjotr Stepanowitsch, so daß Herr von Lembke sich beklagte … aber auch darüber später. Ich erwähne auch, um es nicht zu vergessen, daß der große Schriftsteller sich ebenfalls sehr wohlwollend gegen Pjotr Stepanowitsch bezeigte und ihn sogleich aufforderte, ihn zu besuchen. Soviel Eilfertigkeit seitens eines so eingebildeten Menschen traf Stepan Trofimowitsch schmerzlicher als alles übrige; ich aber erklärte es mir anders: Als Herr Karmasinow den Nihilisten zu sich einlud, hatte er es natürlich auf dessen Beziehungen zu den progressiven jungen Männern beider Metropolen abgesehen. Der große Romancier zitterte krankhaft vor der heutigen revolutionären Jugend, und da er in völliger Unkenntnis der Verhältnisse wähnte, die Schlüssel zur russischen Zukunft lägen in ihrer Hand, ging es ihm darum, sich bei ihnen auf die würdeloseste Weise anzubiedern, vor allem deshalb, weil sie ihm keinerlei Beachtung schenkten.
    II
    PJOTR Stepanowitsch war bei seinem Vater ein paarmal kurz

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