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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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hermetisch verschlossen; Lisaweta Nikolajewna solle, hieß es, mit heftigem Nervenfieber darniederliegen; das gleiche wurde auch von Nikolaj Wsewolodowitsch erzählt, mit abstoßenden Einzelheiten über einen angeblich ausgeschlagenen Zahn und eine entzündete Backe. Hinter vorgehaltener Hand wurde sogar geflüstert, wir müßten vielleicht auf einen Mord gefaßt sein, Stawrogin sei nicht der Mann, eine solche Beleidigung hinzunehmen, und er werde Schatow töten, aber heimlich, wie bei der korsischen Vendetta. Dieser Gedanke gefiel, aber die Mehrzahl unserer goldenen Jugend hörte das alles mit Verachtung an, mit einer Miene herablassender Gleichgültigkeit, die selbstverständlich nur aufgesetzt war. Überhaupt machte sich die alte Feindseligkeit unserer Gesellschaft gegenüber Nikolaj Wsewolodowitsch deutlich bemerkbar. Sogar gesetzte Männer waren geneigt, ihn zu beschuldigen, obwohl sie nicht wußten, weswegen. Es wurde geraunt, er habe Lisaweta Nikolajewna um ihre Ehre gebracht und die beiden hätten eine Affäre in der Schweiz gehabt. Die Vorsichtigen hielten sich zurück, alle jedoch hörten mit Appetit zu. Es fanden auch andere Unterhaltungen statt, in beinahe geschlossener Gesellschaft, nicht öffentliche, private, seltene, außerordentlich eigenartige, die ich hier lediglich zur Unterrichtung meiner Leser vorzeitig erwähne, einzig und allein im Hinblick auf die weiteren Ereignisse meines Berichts. Nämlich: Mit gerunzelter Stirn und aus Gott weiß welchem Grund wurde von manchen behauptet, Nikolaj Wsewolodowitsch erfülle eine spezielle Mission in unserm Gouvernement, er habe durch die Vermittlung des Grafen K. in Petersburg Zugang zu den allerhöchsten Kreisen erlangt, er stehe sogar möglicherweise im Dienste des Staates und sei vielleicht von irgend jemand mit irgendwelchen Aufgaben betraut. Wenn ganz besonders gesetzte und besonnene Männer dieses Gefühl belächelten und sehr vernünftig einwandten, daß jemand, der von Skandalen lebt und sich bei uns mit einer dicken Backe eingeführt hat, kaum eine Ähnlichkeit mit einem Staatsbeamten habe, wurden sie flüsternd beschieden, er diene weniger offiziell, sondern sozusagen konfidentiell, und in einem solchen Fall verlangten die Dienstaufgaben, daß der Staatsdiener möglichst wenig einem Beamten gleiche. Dieser Einwand verfehlte nie seine Wirkung; es war uns bekannt, daß das Semstwo unseres Gouvernements in der Metropole mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet wurde. Ich wiederhole, diese Gerüchte waren nur kurzlebig und verschwanden spurlos, sogleich, beim ersten Erscheinen Nikolaj Wsewolodowitschs; aber ich möchte erwähnen, daß die Quelle mancher Gerüchte zum Teil die wenigen knappen, aber boshaften Bemerkungen waren, die ein unlängst aus Petersburg zurückgekehrter Gardekapitän a. D., Artemij Pawlowitsch Gaganow, im Club unbestimmt und abgehackt fallenließ, ein sehr reicher Gutsbesitzer unseres Gouvernements und Kreises, ein Mann aus der besten Gesellschaft der Residenz und Sohn des verstorbenen Pawel Pawlowitsch Gaganow, jenes achtbaren Clubältesten, mit dem Nikolaj Wsewolodowitsch vor über vier Jahren einen durch seine Grobheit und Plötzlichkeit ungewöhnlichen Zusammenstoß gehabt hatte, von dem ich bereits berichtete, am Anfang meiner Erzählung.
    Es sprach sich sofort herum, daß Julija Michajlowna vorgehabt hatte, Warwara Petrowna einen Besuch außer der Reihe abzustatten, und daß man ihr an der Haustür beschied: »Gnädige Frau sind unpäßlich und können nicht empfangen.« Und ebenso, daß Julija Michajlowna am übernächsten Tag nach ihrem Besuch einen Boten geschickt hatte, um sich nach Warwara Petrownas Befinden zu erkundigen. Und schließlich begann sie Warwara Petrowna überall zu »verteidigen«, natürlich nur im allerdelikatesten Sinn, das heißt im möglichst unbestimmten. Die ersten hastigen Anspielungen auf die sonntägliche Begebenheit nahm sie von Anfang an so streng und kalt auf, daß sie an den folgenden Tagen in ihrer Gegenwart nicht mehr wiederholt wurden. Auf diese Weise setzte sich überall der Gedanke fest, Julija Michajlowna sei nicht nur über diese geheimnisvolle Geschichte selbst unterrichtet, sondern auch über die geheimnisvollen Hintergründe bis in die kleinsten Details, und zwar nicht als Außenstehende, sondern als Beteiligte. Ich möchte an dieser Stelle hinzufügen, daß sie anfing, bei uns nach und nach jenen höheren Einfluß zu erlangen, an dem ihr so viel lag, nach dem sie so sehr

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