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Boese Maedchen sterben nicht

Boese Maedchen sterben nicht

Titel: Boese Maedchen sterben nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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mich meiner jüngsten Vergangenheit zuwandte. An der Stelle, an der meine Seele aus der Zeitlinie geschnitten worden war, befand sich ein verschlungener Knoten. Hier war ich gestorben und ich war überrascht, als ich sah, wie die Leben um mich herum sich aufeinander zubewegten und sich zusammenschlossen, bis der Riss sich schließlich mit neuem Gewebe füllte. Und dann folgte der plötzliche Lichtblitz des Augenblicks, in dem ich Kairos, meinem Vorgänger im Zeitwächteramt, sein Amulett geklaut und mich damit an die Gegenwart gebunden hatte.
    Ich versuchte, meine Nerven zu beruhigen, und sah über den Knoten hinaus. Es war nicht leicht, in die eigene Vergangenheit zu blicken. Bei dem Gedanken daran, dass sich nichts mehr daran ändern ließ, konnte einem ganz schön mulmig zumute werden. Doch ich spürte, wie sich ein Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitete, als ich erkannte, dass ich mich eigentlich gar nicht so sehr verändert hatte, seit ich gestorben war. Klar, meine ursprüngliche Aura, die blau und gelb gewesen war, unterschied sich ziemlich von dem dunklen Lila von heute. Aber meine Ansichten über Gut und Böse waren noch immer dieselben wie vorher.
    Das war wirklich eine hübsche Aura , dachte ich und fuhr im Geiste mit den Fingern durch die Farben. Der Gedanke, dass es nun nicht mehr meine war, machte mich ein bisschen traurig. Oder war sie das doch? Vielleicht konnte ich ja auch meine eigene Aura ändern, nur für einen Moment, und wieder ich selbst sein?
    Ich löste mich von der Vergangenheit und wandte mich wieder der Gegenwart zu, bis ich mich selbst allein auf einer Polizeiwache sitzen sah, wo ich ausharren musste, bis sie doch noch einen passenden Akku für mein Handy fanden. Meine Aura war dunkel, wie sie zu einer künftigen Zeitwächterin passte, jedoch nicht zu mir. Ich verglich sie in Gedanken mit meiner ursprünglichen blauen Aura, da sah ich plötzlich einen schwachen blauen Schimmer aufflackern. Ich versuchte, mich stärker darauf zu konzentrieren. Der Schimmer kam nicht aus meiner Aura selbst, sondern leuchtete aus dem nebligen Grau des Zwischenbereichs - an der Stelle, wo die Zukunft zur Gegenwart wurde.
    Zwischen dem, was ist, und dem, was sein wird? Oh Mann, dachte ich und eine Welle der Aufregung durchströmte mich bis in die Zehenspitzen. War es das, was der Seraph gemeint hatte? War das der Ort, an dem mein Körper versteckt war? An dem winzigen Punkt, an dem die Zeit von der Gegenwart in die Zukunft übergeht? Dort stand die Zeit praktisch still und mein Körper wäre unverändert und vollkommen, ohne dem Zerfall und der Vergänglichkeit ausgesetzt zu sein. Ich brauchte ihn mir einfach nur zurückholen.
    Ich atmete tief ein und dann langsam wieder aus, um mich zu beruhigen. Wenn dieser Schimmer, den ich sah, meine ursprüngliche Aura war, dann musste sie von meinem Körper herrühren - gefangen in ewiger Zeitlosigkeit an der Stelle, an der der alte Zeitwächter ihn zurückgelassen hatte. Ich könnte mir meinen Körper zurückholen und würde mein Amulett nicht mehr brauchen, um am Leben zu bleiben und mir die Schwarzflügel vom Leib zu halten!
    Das war alles, woran ich in diesem Moment denken konnte, und ich konzentrierte mich und fokussierte langsam all meine Aufmerksamkeit auf diesen einen kleinen Punkt. Rings um mich reckten meine Gedanken sich in Richtung Zukunft und begannen, mich mit sich zu ziehen. Und mittendrin ein winziger, beinahe nicht vorhandener blauer Schimmer.
    Ich grapschte danach, denn ich wollte ihn mehr als alles andere haben. Plötzlich stürzte von allen Seiten ein Schwindelgefühl auf mich ein und ich keuchte auf. Ich umklammerte die Armlehnen meines Stuhls, doch ich weigerte mich, die Augen zu öffnen, aus Angst, das Wenige, was ich bis jetzt erreicht hatte, damit wieder zu verlieren. »Der gehört mir!«, flüsterte ich und fühlte, wie sich meine Lippen bewegten und das letzte bisschen Luft aus meiner Lunge entwich.
    Auf meinen Lippen lag ein ganz leichter Salzgeschmack und ich leckte neugierig darüber. Eine sanfte Brise strich mir durchs Haar und kitzelte meine Wange. Seltsam. Es gab doch gar keine Klimaanlage in dem Polizeibüro. Das Kitzeln wurde stärker und bald gesellte sich noch ein anderes, wesentlich unangenehmeres Gefühl hinzu, so als müsste ich … als müsste ich …
    »Ich muss aufs Klo«, bemerkte ich erstaunt, die Augen noch immer geschlossen. Seit meinem Tod war ich nur ein einziges Mal in einem Badezimmer gewesen - und das nur, um einer

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