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Boese Maedchen sterben nicht

Boese Maedchen sterben nicht

Titel: Boese Maedchen sterben nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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ihr mitzuweinen. Was ist denn hiermit?, dachte ich, als ich das lachende Gesicht ihrer Mutter sah, weil sie alle drei mit der gleichen Packung Eiscreme zurück zum Einkaufswagen gekommen waren. Und damit?, als ich sah, wie Tammy auf dem Rückweg von der Schule eine wunderschöne Blauhäherfeder fand, die unter ihrem Schuh hängen geblieben war. Die Zufriedenheit über ein Gedicht, das sie geschrieben, aber nie jemandem gezeigt hatte, musste doch mehr wert sein als der vorwurfsvolle Seufzer ihrer Mutter über den unausgeräumten Geschirrspüler - aber Tammy sah nichts von alldem und so löste sich jegliche Freude in ihrem Leben in nichts auf, so als hätte es nie welche gegeben.
    Und damit!, rief ich im Geiste, als ich Johnnys dankbares Lächeln sah, weil sie ihm eine Schüssel für seine Cornflakes aus dem Schrank geholt hatte. Bedeutete ihr das alles denn gar nichts?
    Tammy gab einen leisen Seufzer von sich. Sie zog die Knie bis an die Brust hoch und wiegte sich hin und her, als hatte sie Schmerzen. Ein heller Lichtblitz zuckte durch das Orange ihrer Aura und ich wusste, dass Tammy dasselbe sah wie ich. Vielleicht konnte sie nicht meine Gedanken hören, aber zusammen mit mir sah sie das Gute in ihrem Leben. Ich erschauderte vor Aufregung, als mir klar wurde, dass ihre Aura sich veränderte. Das Orange wurde etwas matter, dunkler, während ich ganz langsam und vorsichtig dafür sorgte, dass sie ihr Leben wieder zu schätzen begann.
    Gespannt konzentrierte ich mich als Nächstes auf Johnny und plötzlich, als alles andere trist und sinnlos erschien, erinnerte sie sich an ihn. Jetzt weinte sie auch aus Sehnsucht nach ihm. Dies war der erste Schritt auf dem Weg zur Veränderung und ich klammerte mich daran wie an einen Rettungsring. Ich stöberte weiter durch ihr Leben und fand noch mehr vergessene Erinnerungen an Johnny. Sein mürrisches Danke vom letzten Sonntag, als sie ihm die Fernbedienung überlassen hatte, anstatt selbst über das Fernsehprogramm zu bestimmen. Ihre Dankbarkeit von vor zwei Wochen, als sie belauscht hatte, wie er sie vor seinen Freunden verteidigte. Und das eine Mal, als er beim Bowling mit ihrem Punktestand geschummelt hatte, sodass es aussah, als hätte sie gewonnen. Er liebte sie, und sie hatte es beinahe vergessen.
    Ich konnte spüren, wie Tammy weinte. Tieftraurig hielt sie ihre Knie umschlungen. Ich fühlte ihren Kummer, ihr gebrochenes Herz. Ihr Schmerz durchzuckte mich, als wäre es mein eigener. Ich gab ihr etwas von meiner Hoffnung ab, wollte ihr das Gefühl geben, dass alles schon wieder gut werden würde. Unser Leben wurde genauso von unserer Vergangenheit bestimmt wie von unserer Zukunft und ihre war besser, als sie glaubte. Sie musste sie bloß mit anderen Augen betrachten.
    Eine Träne, heiß und dick, rollte mir die Wange hinunter, und während ich sie wegwischte, löste ich mich von Tammys Aura, um mein Werk zu begutachten.
    Das Orange in der Mitte war jetzt von einem schwarzen Rand umgeben.
    Mein Herz gab ein Klopfen von sich und blieb wieder stehen. Mein erster Gedanke war, dass ich ihre Aura kaputt gemacht hatte und jetzt alles nur noch schlimmer war. Dann aber beschloss ich, dass das Quatsch war. Ihre Aura hatte sich verändert und vielleicht reichte das schon aus. Demus oder Arariel würden sie nicht mehr finden. Ich wich noch ein Stück zurück und prägte mir das Aussehen von Tammys Aura ein, damit wenigstens ich sie wiederfinden würde. Ich hatte keine Ahnung, ob die Farbveränderung von Dauer sein würde oder nicht.
    Sie war noch immer eine verlorene Seele, aber vielleicht lebte sie jetzt zumindest so lange, dass ich genug Zeit hatte, mich von der Polizeistation davonzuschleichen und ihr zu helfen. Ich musste sie so weit kriegen, dass sie ihrer Seele selbst auf den Grund ging. Sie musste sich von sich aus wieder für ihr Leben entscheiden.
    Tammys Aura verschmolz mit dem hell leuchtenden Band der Gegenwart, als ich mich zurückzog, und ein Gefühl tiefer Zufriedenheit erfüllte mich. Ich lächelte und griff nach meinem Amulett, das noch ganz warm vom Kontakt mit dem Göttlichen war. Zieht euch lieber warm an, ihr Seraphim!, dachte ich und fühlte mich zum ersten Mal seit sehr langer Zeit zu etwas nutze.
    Neugierig ließ ich meine eigene Resonanz vor meinem inneren Auge aufflackern und fragte mich, ob auch schon vor meinem Tod und bevor ich das Zeitwächteramulett bekommen hatte, Schwarz in meiner Aura gewesen war. Ich spürte ein leichtes Beben in meinem Inneren, als ich

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