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Böse Schafe: Roman (German Edition)

Böse Schafe: Roman (German Edition)

Titel: Böse Schafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Lange-Müller
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Kontakt zwischen seinem und meinem Körper unterbrochen, für immer, wie ich hoffte – ohne daß ich Erleichterung empfunden hätte. Mir war heiß, mein Gesicht muß vor Scham krebsrot gewesen sein. Ich wagte es nicht, jemanden anzusehen; auch so wußte ich, sie wußten, was ich wußte: daß seit meinem Outing, wie man das heute nennt, seit dem Moment, da ich meine Mutter ins Spiel gebracht hatte, jedes weitere Wort gegen mich böse Folgen haben konnte, daß sie, selbst wenn sie, trotz unterschiedlicher Dienstgrade, ausnahmsweise mal zusammenhalten und den Hergang der Ereignisse übereinstimmend schildern sollten, Flecken in ihre Kaderakten bekämen, niemals mehr tilgbare, daß, obwohl sie zu fünft wären und ich nur eine, allein meiner Darstellung Glauben ge schenkt würde, ja, geschenkt, denn die Polizisten, Schiedskommissare, Richter …, die über die Sache zu befinden hätten, würden mir glauben müssen, weil ich die Tochter von Alma Krüger war.
    Ob und warum sie mir abnahmen, was ich aus Not preisgegeben hatte, weiß weder ich noch sonstwer, nur, daß jedem von uns sechsen klar war, wie verfänglich schon ein geflüsterter Zweifel an der Wahrheit meiner bisher durch nichts bewiesenen Behauptung sein konnte. Der Telefonhörer lag, als ich zu dem Regal rüberlinste, wieder auf der Gabel, und ich senkte wieder meinen glühenden Kopf, und in das eisige Schweigen hinein tönte laut das Knarren der Tür, die einer der Männer geöffnet hatte – und aufhielt, bis ich an ihm vorüber und im Dunkel der Unterführung verschwunden war.
    Erst als ich wieder auf dem Bahnsteig an- und zu mir gekommen war, schweißgebadet, wie aus einer Narkose oder einem Traum, bemerkte ich, daß ich das Päckchen Club dort unten in dem Kabuff vergessen hatte. Aber da fuhr die S-Bahn vor und ich mit ihr davon – bis zur Station Schönhauser Allee, jener langen Straße, in der meine Freundin Claudia wohnte, die mir, wenn sie zu Hause wäre, zwei, drei Zigaretten geben und womöglich sogar etwas Geld leihen würde.

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X
    Es kam der Tag, für den Joe uns zum zweitenmal einbestellt hatte. Die Zeit bis dahin war schnell verflogen und gemessen an der, die nun begann, unbeschwert schön wie seither keine mehr.
    Du hattest die Nacht zu jenem Freitag, dem zweiundzwanzigsten Mai 1987, ausnahmsweise nicht mit oder, wie öfter in den zurückliegenden zwei Wochen, wenigstens bei mir verbracht, sondern auf Julis Gästebett, falls das nicht auch gelogen war.
    Also fuhr ich gegen Mittag nach Charlottenburg, um dich abzuholen. Ich war sicher, daß du rasiert und bekleidet wärst und erfreut, mich zu sehen, zumal ich dich – und sogar Juli – einladen wollte in ein Lokal, das dein Lieblingsessen anbot, Kohlrouladen; wie es hieß, die besten der Stadt. Aber du saßest noch im Bademantel, Julis Bademantel, auf diesem Gästebett, einem verschossenen roten Plüschsofa, das du für Juli aus einem Haufen Sperrmüll gezogen und ganz passabel restauriert hattest. Juli, die mir mit nichts als einem fliederfarbenen negligéartigen Etwas am Leibe die Tür geöffnet hatte, fläzte sich wieder neben dich und hinter den Couchtisch, der leer war, bis auf den Aschenbecher und zwei, nicht drei, Goldrandgläschen voll Sahnelikör. Ihr hättet spät gefrühstückt, sagte sie. Auch du meintest, obwohl du dein Glas kaum anrührtest und zuließest, daß ich es austrank, dir stünde der Sinn jetzt nicht nach »fester Nahrung«. Ich fühlte mich mies, wie ein Eindringling, eine Spielverderberin, verlangte trotzdem – in bemüht lässigem Tonfall,der nach bekehrtem Gauner klang und sicher nicht nur mich selbst an Joe erinnerte –, du mögest aus dem Knick kommen, aber pronto, und von Juli, als du ins Bad verschwunden warst, mehr Strenge gegen dich und Verständnis für mich und daß sie nachher ja pünktlich sein solle.
    Julis glasig grüner Blick ruhte auf mir, unbeirrbar mild. »Ach, Soja«, sagte sie, »mit der Liebe ist es wie mit den Masern. Man bekommt sie nur einmal, und je später das passiert, desto schlimmer wird’s. Ist von Tolstoi, glaube ich.«
    Ich verkniff mir eine Antwort, denn ich wußte keine, die nicht verräterisch gewesen wäre, doch vor allem fürchtete ich, daß wieder Joe aus mir sprechen könnte.
    Noch unten, auf dem Weg zur U-Bahn, war ich den Tränen nahe. Ich hing an deinem rechten Arm, schwerer als der Beutel Kartoffeln, den ich, weil wir nun doch nicht essen gingen, bei einem Türken in Julis Straße gekauft hatte, an deinem linken; und

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