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Böse Schafe: Roman (German Edition)

Böse Schafe: Roman (German Edition)

Titel: Böse Schafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Lange-Müller
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nicht die Wörter, die du sprachst, oder Joe oder sonstwer, nicht die Laute, die von links und rechts, vorn und hinten, oben und unten in meinen Kopf gelangten, sondern meine eigenen, soeben aus dem Tiefschlaf gerissenen und deshalb wie Säuglinge wimmernden Gedanken.
    »Na und …, weiß es selbst erst seit ein paar Wochen …, habe außerdem noch Hepatitis B und C …, manches verdrängt man eben …, Joe, du alte Petze …, da wird ja sogar ein Schaf böse …«, das sind in etwa die Satzfetzen, die ich behalten habe von dem, was du sagtest, gerade so – oder so ähnlich.
    »Denken zu können wäre ganz okay, ohne fühlen zu müssen. Sterben zu müssen, bei vollem Verstand, ist barbarisch, eine Zumutung. Mit Hero geht es sicher schneller, aber leichter eben auch. Wenn ich drauf bin, gibt es genug Trubel, fiesen und angenehmen, bin ich gezwungen, meinem Körper zu verschaffen, was er braucht, damit es meinem Kopf bessergeht, sind sie Komplizen, die der Hals nicht trennt, sondern verbindet. Was, außer ab und an ein paar Happen, sollte ich einwerfen, wenn mein Organismus nicht nur dazu da wäre, daß in meinen Grübelzellen bißchen Rambazamba ist oder wenigstens Ruhe herrscht?
    Und da behauptet Joe, es sei eine Lebensaufgabe, die ses Leben aufzugeben. Den Müll soll der Idiot mal ande ren Idioten verkaufen, mir sicher nicht.«
    Erinnerst du dich daran, wie Joe, während du noch am Stammeln warst, auf seine Armbanduhr linste und uns sadistisch grinsend ermahnte, einen klaren Kopf zu behalten, dir deinen aber »ruhig mal ordentlich zu waschen«? Hast du die Panik in meinen Augen und in denen der anderen je vergessen können? Hörst du auch bis heute – schallend wie eine Backpfeife – die Tür ins Schloß fallen, vor die Joe uns nach genau einer Stunde setzte? »Macht’s gut zusammen, bis nächstes Mal. Und haltet die Ohren steif.«
    Hanna raffte ihre drei vollen Einkaufstüten und stürzte, wie vor ihr schon Christoph und Thomas, davon, ohne sich noch einmal umzusehen nach dir, mir, Joe oder ihrem Mann, der, eine brennende Zigarette zwischen den Lippen, komisch langsam wie eine nicht stramm genug aufgezogene Blechente den Flur hinunterwatschelte und so benommen zu sein schien, daß er die vielen, beidseitig an den Wänden klebenden Rauchverbotsschilder gar nicht wahrnahm. Clara, der ich widerwillig oder weil ich selber Halt brauchte, für einen Moment den Arm um die Schulter legte, weinte lautlos in eins ihrer umhäkelten Taschentücher, über die ich mich ein paar Tage zuvor noch lustig gemacht hatte. Marlene und Juli, die sich bisher eher aus dem Weg gegangen waren, hielten Händchen.
    Und erstmals bemerkte ich, was für ausdruckslose Gesichter sie aufsetzen konnten; Gesichter, die, sonst völlig verschieden, einander plötzlich ähnelten – und denen der beiden ausgestopften Marder, die ich, neben anderen im Biologiekabinett meiner Ostberliner Schule vor sich hin gammelnden Präparaten, mal hatte entstauben und ausgerechnet mit Nerzöl abreiben müssen, zur Strafe für »Stören des Unterrichts«. Nur Ersatzmann Marc, der allemal öfter als Christoph und Thomas mit dir zusammengewesen war, gab sich gelassen, suchte sogar meine Nähe und Kontakt zu Frank, Clara, Juli, Marlene, die er regelrecht agitierte: »Kommt bitte mit ins Schwanensee . Wir sollten besprechen, wie es nun weitergeht. Und Harry wird uns sicher auch einiges zu erklären haben.« Harry . – Obwohl ich unausgesetzt an dich dachte, wenn man das, was in meinem Kopf vorging, überhaupt Denken nennen kann, vermißte ich dich erst auf dieses Stichwort hin. Auch Clara, Juli und Marlene blieben stehen, drehten sich um, hielten Ausschau nach dem, der schuld war, nach dir.
    Du hocktest reglos vor Joes Tür und starrtest die diagonal gegenüberliegende Herrenklotür, hinter der du seit Wochen unter vier Augen Zylindergläschen fülltest, an, als hättest du sie noch nie gesehen. Nun komm schon, Mensch, schrie ich. Es klang derart schrill und böse, daß die anderen und ich selbst zusammenzuckten, du aber tatsächlich aufschrakst aus deiner Versteinerung.
    Schließlich fanden wir uns an einem Tisch des Cafés wieder und vertieften die dort herrschende Edward-Hopper-Stimmung; sieben bleiche Vögel, die dem Schwanensee alle Ehre machten, obwohl keinem, nicht einmal Exaus druckstänzerin Clara, nach physischer Bewegung zumute und, von der Kellnerin abgesehen, auch kein Publikum da war.
    Marc, der sich links neben dich setzte, aber so, daß zwischen euch

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