Böse Schafe: Roman (German Edition)
Worten etwas hinzuzufügen, deine Packung Gitanes ; sie nahm eine Zigarette, ließ sich von dir Feuer geben und inhalierte tief. Lila war dünn und rotblond, ihre Gesichtshaut bläulich fahl, ich könnte auch sagen hellviolett, und, außer der Stimme, alles an ihr irgendwie tief: Die großen, feucht glänzenden Augen lagen tief in den Höhlen, sie hatte ein tiefes Grübchen im Kinn, eine schmale, tiefe Taille, einen tiefen Brustansatz und saß, ein Kissen umklammernd, tief in sich versunken wie eingewachsen in der linken Ecke von Julis Sofa.
Auch die Klingsbrüder hatten dir, wie es sich gehört, wenn man bei einem frisch Behausten auftaucht, etwas mitgebracht, zwei jeweils als Präsent verpackte, schleifenbandrosettenverzierte, mit unterschiedlichen Mickymaus-Motiven bestickte Frotteesets, eins in Babyblau und eins in Babyrosa, die aus je einem Badetuch, einem Handtuch und einem Waschlappen bestanden. Ich befühlte das Zeug halb verwundert, halb beeindruckt; es war, obwohl sehr dick und flauschig, also von hoher Qualität, gelinde gesagt, scheußlich, und nie hätte ich für möglich gehalten, daß diese trotz ihrer Kleinheit sehr männlich wirkenden Würfel einem Hünen wie dir solchen Girliekitsch schenken würden. Aber du legtest, nachdem du ausgiebig Freude gezeigt hattest, alles ordentlich zusammengefaltet wieder zurück in die Kartons und stelltest diese, als sei dort der Ehrenplatz für deine größten Schätze, hochkant auf einen Bretterstapel. Dann holtest du eine Flasche Baileys, Kekse, O-Saft und Cola und meintest, nun könne die Party losgehen.
So wie an jenem Abend hatte ich dich noch nie erlebt. Du lachtest immerzu dieses neue, laute Lachen, brietest Spiegeleier, die außer mir keiner aß, fülltest Gläser, leertest Aschenbecher und fragtest zwischendurch die Klingsbrüder, wie es dem ginge und was mit jenem wäre, nanntest Namen, die mir nichts sagten, weil ich sie von dir bisher nicht gehört hatte. Schon nach den ersten Brocken, die dir Elmi und der weniger redegewandte Eggi hinwarfen – und die mich lehrten, sie zu unterscheiden, denn der eine war einfach dümmer als der andere –, konnte ich mir zusammenreimen, daß weder sie noch Lila, die allerdings kaum mal den Mund aufmachte, die Triade-Kumpels waren, von denen du gesprochen hattest, sondern alte Bekannte, wenn nicht gar Freunde.
Die Klingsbrüder hatten mit dir zusammen »ein paar Jährchen« in der JVA Seidelstraße gesessen, Eggi wegen schwerer Körperverletzung und Elmi, der einen Monat nach dir entlassen worden war, für »Betrug in Tateinheit mit Urkundenfälschung«.
Ihr schwelgtet in Erinnerungen: wie du, einer der »ganz wenigen Tegelianer mit schwarzem Dan«, in der Karategruppe die »Mörder, alles schlaffe Säcke, auf Vordermann« gebracht hättest, daß »olle Meyer, Till, als einziger von den arroganten Politischen« bei Eggi Ringen trainiert habe und folglich ein »prima Catcher« geworden sei. Ihr spracht über »Pfeifen wie Kalle, Ralfi, Hassan« und von Oleg, dem »alten Schwerenöter mit den zwei linken Füßen«, der eines Tages beim »Kata-Sahsi-Ashi-Üben« so »böse aufs Maul gefallen« sei, daß er sich die Schneidezähne ausschlug. Und irgendwann, du hattest aus deinem anscheinend unerschöpflichen Vorrat die nächste Baileys- Flasche geholt, ging es sogar um Politik. Eggi schimpfte auf die »Arabs«. Diese »oberfaulen Südfrüchtchen« seien dabei, »die Geschäfte zu versauen«, weil sie »nur Mist« unter die Leute brächten und dann auch noch die Preise drückten. Elmi meinte, das sei doch »Pillepalle«, ihn interessierten mehr »die großen historischen Zusammenhänge«; es passiere zuviel in der Welt und zuwenig in Deutschland. »Die sitzen da, schaukeln sich die Eier, quasseln vom Frieden, den uns die lieben Amis beschert hätten, aber machen tun sie nur, was die Russen wollen.«
Du, entspannt zurückgelehnt, die Hand auf Lilas Hängeschulter, stimmtest ihm zu: »Ja, was machen die eigentlich, die Breitärsche? Die meinen, dreißig Jahre Frieden wären immerhin schon mal was. Frieden? Schöner Frieden, der kalte Krieg. Kann ich nur kontern: Euern komischen Burgfrieden verdanken wir doch auch bloß dem Adolf. Wenn der sich nicht so weit aus dem Fenster gelehnt hätte und wir nicht so viel auf die Nuß gekriegt hätten, wären wir längst wieder am Rumstänkern.«
Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen, war ohnehin stinksauer, kippte in einem Zug mein Glas Rotwein, wollte intervenieren. Aber Harry,
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