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Böse Schafe: Roman (German Edition)

Böse Schafe: Roman (German Edition)

Titel: Böse Schafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Lange-Müller
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rückfällig zu werden, also böse Böse – für den Rest des Lebens – wieder und wieder hinter Gittern.«
    Keine Woche später hattest du eine Wohnung gefunden, somit die vorvorletzte Therapieauflage erfüllt. Und da ich wußte, daß es nicht anders ging, daß du anders nicht wirklich freikämst, nahm ich einen kleinen Kredit auf, lieh dir das Geld für die Kaution, die niedrig war, denn diese weit von meiner entfernte Unterkunft in der Emser Straße an der Peripherie des Stadtbezirks Neukölln und nahe dem Flughafen Tempelhof erwies sich als miese Bruchbude, als selbst im Sommer finsteres, fußkaltes Erdgeschoßloch; und ich trennte mich um so leichter von den paar Kröten. Über kurz oder lang, da war ich sicher, würdest du ja doch wieder bei mir landen und mich bis dahin mindestens jeden zweiten Tag besuchen, schon wegen Friede.
    Es kam aber eher umgekehrt; ich besuchte dich, sooft der Fortbildungskurs zum Lichtsetzer, den mir das Arbeitsamt aufs Auge gedrückt hatte, und die seltsame, sich schleichend meiner bemächtigende Lethargie, von der ich mich bedroht fühlte wie von der Krankheit, dies zuließen. Manchmal nahm ich mir mitten in der Nacht ein Taxi, glaubte, dich überraschen zu wollen, und war froh, daß es nicht möglich war, dich vorher zu fragen, ob es dir recht sei, denn du hattest ja noch kein Telefon. Ich schlief schlecht ohne dich. Ich hielt es kaum aus, nicht genau zu wissen, was du treibst, und redete mir ein, das ganze Geld nur zu verfahren, weil dir doch jemand helfen mußte, und dieser jemand war ich, wer sonst. Ich stand dann, bepackt mit Haushaltskram, Fressalien und Rotweinflaschen, Friede in einer Jackentasche, in der anderen Zigaretten für dich, vor deiner Tür und klingelte und klopfte, so lange, bis du mich verschlafen lächelnd einließest. Du hattest behauptet, von deiner Hausverwaltung lediglich einen Schlüssel bekommen zu haben und daß ein zweiter »schon noch gemacht« würde, aber wenn ich dich, immer mal wieder, nach diesem zweiten Schlüssel fragte, sprachst du von einer schriftlichen Genehmigung des Vermieters, die der »ganz bestimmt« bald vorbeibrächte.
    Ich war, wie sich herausstellte, nicht die einzige, die das Bedürfnis hatte, dir zu helfen. Eines Abends, als ich, eben erst angekommen, deinem Klo zustrebte, begegnete ich in deiner Küche dem roten Plüschsofa, das bei Juli dein Gästebett gewesen war. Ja, meintest du, die habe sich einen Futon zugelegt und das alte Teil dir angeboten.
    Wie, sagte ich, die war hier?
    »Nee, ich war bei Juli«, gabst du kleinlaut zu. »Nur mal so, guten Tag und auf Wiedersehen. Hab gleich von ihr aus ein paar Kumpels angerufen und den Transport organisiert.«
    Was für Kumpels, fragte ich ehrlich erstaunt.
    »Na, Kumpels eben, Jungs von der Triade und vom Karateclub. Du kennst die nicht. Warum auch?«
    Mehr war dir in der Angelegenheit nicht zu entlocken und ich nicht in der Stimmung weiterzubohren, obgleich ich es schon eigenartig fand, daß zwischen dir und Juli wieder Kontakt bestand, du dein Training wieder aufgenommen und sogar irgendwelche Kumpels hattest.
    Du borgtest dir von Frank eine Bohrmaschine und jede Menge Werkzeug, erwirktest ohne mein Zutun beim Sozialamt einen Einrichtungsvorschuß, kauftest Trödellampen und im Baumarkt Bretter und warst tagelang am Basteln. Ich handwerklich unbegabte Linkshänderin konnte dir dabei nicht nützlich, sondern nur im Wege sein und merkte, daß dir meine Infiziert-oder-nicht-infiziert-Monologe ziemlich auf die Nerven gingen, obwohl du dich bemühtest, sie gefaßt über dich ergehen zu lassen. Außer dem an Friede und den Doors hatten wir kaum mehr gemeinsame Interessen; du sägtest und schraubtest dir dein »neues, freies Leben« zusammen, das in meinen Augen nur ein freies Sterben war, und ich fürchtete mich, weil ich nicht wußte, wohin die Reise ging, davor, erst dich, dann mich zu verlieren, und davor, bald wieder richtig arbeiten zu müssen, auch davor, daß du mir womöglich mein Geld nicht zurückgeben würdest …, eigentlich vor allem, was Menschen von deiner Art nie, aber Menschen wie ich damals üblicherweise Zukunft nannten.
    Noch eine Woche drauf, dein letzter Triade-Monat war gerade mal zur Hälfte um, hattest du über deinen Bewährungshelfer sogar schon einen Job, nicht direkt als Setzer, die wurden, wie ich aus eigener Erfahrung wußte, eh kaum mehr gebraucht, doch immerhin bei einer Druckerei, einer kleinen Klitsche in Schöneberg, die Remakes von alten

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