Böse Sterne
eigenen
Seiten vollklieren? Wir würden das bestimmt alle lesen, ja doch, immer wieder gern!
Oder könnten Sie sogar einen Job in Second Life ergattern? Da könnten Sie richtig aufsteigen. Sie sind doch schon ziemlich
virtuell! Tun Sie den letzten Schritt! Wir wünschen Ihrem Avatar alles Gute. Also ab in den Open Space – und tschüss!
So können wir Sie ködern und beerben
Indem wir behaupten, Sie seien mitfühlend und warmherzig.
|43| Indem wir bedauern, dass Sie noch immer nicht gebeten wurden, die ›Tagesthemen‹ zu übernehmen.
Indem wir Sie bitten, uns die Lage der Welt zu erklären.
Indem wir fragen, woher Sie Ihre Schlagfertigkeit und Ihre Fröhlichkeit haben.
Indem wir behaupten, Sie seien nicht oberflächlich, sondern vielseitig.
Indem wir Ihnen versichern, dass wir durch Ihre Kontaktfreude enorm profitiert haben.
Indem wir Ihr Testament verfassen. »Hier unterschreiben, dann musst du dich um nichts mehr kümmern.«
Tipp für Erben: Den Zwilling daran hindern, sein Geld durch Handy-Surfen und Web-Auktionen zu verschleudern.
Häufige Todesarten
Von Mobilfunkstrahlen zersetzt.
An Fast Food erstickt.
Im Second Life verirrt.
Beim Schnellsprechen eigene Zunge verschluckt.
Entführt, und niemand zahlte Lösegeld.
Ihr Grabspruch
Schon vergessen.
Typische Zwillinge
Marquis de Sade, vielseitiger Liebhaber
Marilyn Monroe, vielseitige Liebhaberin
|44| Paul Gauguin, geschlechtskranker Maler
Richard Wagner, flüchtiger Komponist
Inge Meysel, Darstellerin der Frühdemenz
Harald Juhnke, begrabener Alleinunterhalter
Kylie Minogue, quengelnde Sängerin
Jürgen von der Lippe, quasselndes Hawaii-Hemd
Doris Dörrie, Schmalspur-Buddhistin
Radovan Karadcic, Verkleidungsexperte
|45|
Krebs
22. 6.– 22. 7.
Warum wir Sie mögen
Sie wollen sicher hören, dass wir Sie für tief fühlend und romantisch halten. Aber hier wird nicht geschmeichelt. Sie möchten
bestätigt haben, dass Sie intuitiv begabt und hilfsbereit sind. Dass Sie ein liebendes Herz haben. Aber hier wird die Wahrheit
gesagt. Und die sieht ganz anders aus.
Was, bereits bei dieser Ankündigung verziehen Sie den Mund? Da schmollen Sie schon? Bei dieser winzigen Prise Realität sind
Sie beleidigt? Na wunderbar. Dann lesen Sie gleich weiter. Sie können diese Seiten dramatisch zu Konfetti zerkleinern, damit
niemand die Wahrheit erfährt, |46| schon gar nicht Sie selbst. Aber zum Glück sind Sie neugierig. Und vor allem brauchen Sie immer Futter für Ihr Lieblingshobby,
das Selbstmitleid.
Okay, hier ist Futter. Sie sind wehleidig. Eine Kostprobe haben Sie uns eben schon gegeben. Sie sind launisch. Jeder hier
kann bezeugen, dass sich in diesem Augenblick etwas sehr Dunkles in Ihnen zusammenbraut. Ja, das sieht man!
Sie behaupten, Sie hätten Sinn für Familie. Sie seien partnerschaftlich. Aber was die Familie auch für Sie tut, es ist nie
genug. Und wie immer sich ein Partner abrackert, Sie sind ewig unzufrieden.
Lassen Sie doch mal hören, wie das klingt: wenn Sie murren und maulen und quengeln. Das können Sie besser als jeder andere.
Und wenn Sie es nicht offen tun mögen, dann dünsten Sie eine derart schlechte Laune aus, dass jeder in Ihrer Umgebung bedrückt
und beklommen wird. Genau das ist Ihr Ziel. Unbewusst natürlich. So etwas würden Sie niemals absichtlich anstreben! Und doch:
Ihr Ziel ist es, anderen ein schlechtes Gewissen zu machen und auf dieser Basis zu regieren.
Darin sind Sie unschlagbar. Dafür haben Sie einen untrüglichen Instinkt. Sie versprechen: Ich baue euch ein Nest! Sie behaupten:
Ich nehme euch unter meine Fittiche! Aber wie Sie dann die anderen einspannen, wie Sie sich bedienen lassen, wie Sie liebreizende
Menschen – uns zum Beispiel – mit Tränen und Beschwerden und Muffigkeit und Stimmungen beherrschen, das ist sensationell. |47| Wie Sie Schuldgefühle in uns züchten, auf dass wir uns ewig verpflichtet fühlen.
Das können Sie. Das geschieht unabsichtlich, klar, das kommt wie eine Welle angerollt. Das passiert einfach so. Sicher. Aber
Sie wissen, dass alle großen Erpresser eine Krebs-Betonung im Horoskop hatten? Wussten Sie nicht? Schön, dass es Ihnen mal
jemand verrät. Geld ist Ihnen nicht wichtig. Die emotionale Erpressung hat es Ihnen angetan. Darin sind Sie genial.
Aber jetzt müssen wir mal innehalten. Die Überschrift heißt ja: Warum wir Sie mögen. Warum also? Vielleicht weil wir gerne
Sklaven sind, wenn wir eine so liebreizende
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