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Böser Bruder, toter Bruder

Böser Bruder, toter Bruder

Titel: Böser Bruder, toter Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narinder Dhami
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heil hier rauskommt, aber das ist im Augenblick nicht mein größtes Problem. Laut M s Powell wird das bewaffnete Sonderkommand o – und damit meint sie Polizisten mit Pistole n – in zehn Minuten hier sein.
    Jetzt sind’s schon weniger.
    In etwa acht Minuten werden lauter Scharfschützen die Schule umstellen, und dann bin ich noch mehr in Gefahr.
    Denk nicht drüber nach, sage ich mir immer und immer wieder, während ich den Weg zurückrenne, den M s Kennedy und ich gekommen sind. Mein Herz hämmert laut in meiner Brust. Als ich am Lehrerzimmer vorbeikomme, höre ich den laufenden Fernseher, doch ich widerstehe der Versuchung, mir die neusten Nachrichten anzuschauen. Ich brauche keine Fernsehberichte: Die Schlagzeilen entstehen nur ein paar Meter von mir entfernt.
    Ich muss bloß anhalten und hinaussehen.
    Ich halte an.
    Auf Zehenspitzen betrete ich die nächste Klasse, gehe zum Fenster und stelle mich direkt hinters Rollo. Es besteht aus einem dicken schwarzen Stoff. Auf der anderen Seite dürfte kein verräterischer Schatten zu sehen sein, nichts, was der Polizei sagt, dass ich hier bin.
    Zwischen dem Saum des Rollos und dem Fensterrahmen ist ein winziger Spalt. Ich gehe mit dem Auge ganz nah heran, während ich das Rollo festhalte, damit es sich nicht bewegt und mich verrät. Dann sehe ich hinaus.
    Ach du Scheiße!
    Vor dem Schultor, in einiger Entfernung, stehen ach t – nein, zehn Polizeiwagen. Auf der Straße wimmelt es von Polizisten. Es sind zu viele, um sie zählen zu können. Einige davon tragen Schutzanzüge und Helme mit Visier. Gewehre sehe ich allerdings keine. Noch bin ich vor der bewaffneten Polizei sicher, aber die Uhr tickt.
    Sonst ist niemand da: keine Schüler, keine Lehrer, keine Schaulustigen, keine Gesichter hinter den Fensterscheiben der umliegenden Häuser. Wie M s Powell gesagt hat, wurden alle Leute aus der Gefahrenzone gebracht.
    Zum ersten Mal frage ich mich, wie die Polizei wohl vorgehen wird. Und sofort taucht die Erinnerung auf, wie Jamie und ich vor ein paar Monaten zusammen ferngesehen haben. Ein Mann mit Pistole hatte sich in seiner Wohnung verbarrikadier t – in Leeds? Liverpool? Irgend so eine Stadt. Er hatte eine Geisel bei sich, seine Exfreundin, und ein Sonderkommando musste anrücken. Aber zuerst hat die Polizei versucht, mit dem Mann zu verhandeln. Zwei Tage lang.
    Am Anfang reden sie nur, sage ich mir, um mir Mut zu machen. Sie werden nicht gleich hereinstürmen und um sich schießen.
    Kurz überlege ich, ob das, was wir damals gesehen haben, Jamie auf diese Idee gebracht hat. Das Geiseldrama endete damit, dass der Mann seine Exfreundin freiließ und sich dann mit einem einzigen Schuss selbst tötete.
    Als ich das Rollo vorsichtig loslasse, höre ich die gellende Sirene eines sich nähernden Krankenwagens. Ich frage mich, ob er für M s Kennedy gerufen wurde oder ob er sowieso gekommen wär e – für den Fall, dass jemand verletzt wird.
    Ich will wirklich nicht, dass M s Kennedy etwas zustößt, und das meine ich ernst.
    Ich hasse sie nicht. Ich hasse mich selbst.
    Ich hätte schon vor Monaten auf Jamie hören sollen, dann wäre das alles vielleicht gar nicht passiert.
    Aber jetzt passiert es, und du hast dich dafür entschieden, so zu handeln. Sei stark und zieh es durch.
    Also rase ich durch den Korridor, vorbei am Sekretariat, am Büro des Direktors und der Aula des alten Haupthauses.
    Und komme dem Anbau näher und näher.
    Ich frage mich, was dort geschieht.
    Ich frage mich, was Jamie gerade macht.
    Und Kat Randall.
    Hat sie auch so eine große Klappe, wenn jemand mit einer Knarre vor ihr steht?
    Als ich durch den Kunsttrakt abkürze, sehe ich hinter einer offenen Tür lauter Werkzeuge für Holzarbeiten bereitliegen: Beitel, Hammer, Schnitzmesser, Bohrer.
    Ich komme schlitternd zum Stehen. Mir ist eben etwas absolut Wichtiges eingefallen, woran ich bisher nicht einmal ansatzweise gedacht habe.
    Falls ich mich irgendwann irgendwie verteidigen muss, habe ich nichts.
    Überhaupt nichts.
    Keine Kenntnisse in Selbstverteidigung.
    Keine Waffen.
    Wie befriedigend es doch wäre, wenn ich jetzt verkünden könnte, dass sich hinter meiner schwachen, harmlosen Fassade eine Karatemeisterin mit schwarzem Gürtel oder eine Kung-Fu-Expertin verbirgt. Doch leider bin ich wirklich schwach und harmlos, und ich habe noch nie einen Holzklotz mit bloßer Hand gespalten. Ich kann nicht mal einen Briefumschlag aufreißen, ohne mich am Papier zu schneiden.
    Also flitze ich in den

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