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Böser Bruder, toter Bruder

Böser Bruder, toter Bruder

Titel: Böser Bruder, toter Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narinder Dhami
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depressiven Phasen hatte. Hin und wieder schwänzte ich sogar die Schule, um ein Auge auf sie zu haben.
    Jamie weigerte sich, mir zu helfen. Mum sprach manchmal davon, allem ein Ende zu machen, was mich in Panik versetzte, aber ich glaube nicht, dass sie es dann auch wirklich probiert hat. Es ist jedoch gut möglich, dass sie früher einmal versucht hat, sich etwas anzutun, und Opa hat es uns verschwiegen.
    Aber auch Mums manische Phasen schienen immer schlimmer zu werden. Den ganzen Tag war sie unterwegs, um Geld auszugeben, das wir nicht hatten, und abends zog sie durch die Clubs.
    In seiner Verzweiflung klaute Jamie einmal ihre Kreditkarten und versteckte sie, aber nur wenige Tage später ging sie wieder shoppen.
    Ich erzählte ihm, sie habe die Karten gefunden, aber in Wirklichkeit hatte ich sie ihr zurückgegeben, weil sie mir so leidtat. Ich wusste, dass ich ein Idiot war, und Jamie wusste es auch. Er rastete völlig aus, doch jetzt war er sauer auf mich, nicht auf Mum.
    Das war an einem Freitag. Jamie verschwand und kam erst am späten Samstagnachmittag zurück. Mum war feiern und blieb ebenfalls über Nacht weg.
    Und so saß ich allein in diesem dunklen, baufälligen Haus und hatte furchtbare Angst, dass keiner von beiden je zurückkommen würde.
    Jamie trudelte als Erster wieder ein. Ich hatte mir vorgenommen, kühl und gelassen zu reagieren, doch als ich ihn sah, brach ich vor Erleichterung in Tränen aus. Früher hätte Jamie mich sofort getröstet, aber jetzt dachte er nicht mal daran. Er blieb vor mir stehen und betrachtete mich mit einem seltsamen Gesichtsausdruck, den ich nicht deuten konnte.
    »Ich dachte, du würdest nie mehr wiederkommen«, brachte ich schluchzend hervor.
    »Eines Tages komme ich vielleicht auch nicht wieder«, sagte er trocken.
    Das war das erste Mal, dass er so was sagte.
    Auch Mum kam irgendwann wieder nach Hause, aber sie setzte ihren ungezügelten und rücksichtslosen Lebensstil fort. Ich konnte kaum noch schlafen, lag jede Nacht wach und wartete, bis sie heimkam. Herrgott noch mal, wir waren die Teenies, nicht sie!
    »Das muss sofort aufhören!«, sagte Jamie wütend, als wir eines Morgens in die Küche kamen und zum dritten Mal hintereinander einen fremden Mann in Unterhose beim Teekochen antrafen. Der Mann wirkte peinlich berührt, als er uns sah, und ließ den heißen Teebeutel, den er gerade aus dem Becher genommen hatte, auf seinen nackten Fuß fallen.
    »Tut mir leid«, presste er hervor, während er durch die Küche hüpfte und seinen verbrannten Fuß umklammerte. »Ich wusste nicht, dass hier noch jemand wohnt.« Dann floh er nach oben in Mums Schlafzimmer, um seine Sachen zusammenzusammeln.
    »Das muss sofort aufhören!«, wiederholte Jamie und starrte mich anklagend an. »Mum muss wieder zum Arzt gehen, Mia.«
    Ich verzog keine Miene, um nicht zu zeigen, was ich fühlte. Ich war müde und ich war beunruhigt und ich wollte mit nichts und niemandem mehr etwas zu tun haben. Sollte sich doch Jamie um alles kümmern. Aber ich hatte bereits begriffen, dass ich Jamie mit meiner Ansicht, ohnehin nichts ausrichten zu können, langsam verärgerte.
    Aus irgendeinem Grund schien es für ihn wichtig zu sein, dass ich Rückgrat zeigte.
    »Sie wird nicht hingehen.«
    »Sie muss aber!«, gab er barsch zurück und starrte mir in die Augen. »Oder sie müssen herkommen und sie hier behandeln.«
    »Dann haut sie ab und versteckt sich.« Ich versuchte zurückzustarren, aber ich konnte seinem durchdringenden Blick nicht standhalten und begann daher, meine Fingernägel zu betrachten. »Im Übrigen macht ein Arzt heutzutage nur dann einen Hausbesuch, wenn man fast schon im Sterben liegt.«
    »Okay, dann müssen wir sie halt irgendwie in die Praxis kriegen.« Jamie wollte nicht aufgeben. »Verdammt noch mal, Mia! Siehst du denn nicht, dass es so nicht weitergehen kann?«
    »Aber du weißt doch, was passieren wird«, sagte ich matt. »Mum wird sich weigern. Selbst wenn ein Wunder geschieht und sie Ja zu einer Therapie und medizinischen Behandlung sag t … Sie wird die Tabletten nicht schlucken und ihre Termine beim Therapeuten sausen lassen. Dann läuft alles genauso wie bisher. Opa brauchte Jahre , Mum dazu breitzuschlagen.«
    »Darüber können wir uns auch später noch Gedanken machen.« In Jamies Augen lag ein merkwürdiges Glitzern. Etwas Irres, was mich auf unangenehme Weise an Mum erinnerte. »Es gibt vielleicht Mittel und Wege, sie zur Vernunft zu bringen. Pass auf, Mia, du machst

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