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Böser Bruder, toter Bruder

Böser Bruder, toter Bruder

Titel: Böser Bruder, toter Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narinder Dhami
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weinte, weil sein wunderschöner korallenfarbener Rosenstrauch starb, empfand ich Mitleid. M r Culpepper gab seinen Garten auf. Ein paar Monate darauf zog er weg, und wir sahen ihn nie wieder.
    Damals kam es mir nicht in den Sinn, dass Jamie vielleicht etwas damit zu tun haben könnte. Erst viel später entdeckte ich in dem Durcheinander, das in dem verfallenen Schuppen am Rand unseres Gartens herrschte, mehrere rostige Dosen Unkrautvernichtungsmittel.
    Aber war Jamie tatsächlich zu so etwas fähig?
    Als Sechsjähriger?
    Ein »normaler« Sechsjähriger wäre es sicher nicht.
    Es geschahen noch andere Dinge.
    Es würde zu lange dauern, sie alle aufzuzählen. Für sich genommen war keiner dieser Vorfälle bedeutend, doch wenn man sie im Zusammenhang betrachtet, ergibt das ein mehr als düsteres Bild.
    Die Jahre mit Opa waren trotz alledem eine glückliche Zeit. Wir hatten immer etwas zu essen auf dem Tisch und heißes Wasser, um in der alten viktorianischen Wanne mit den Löwenfüßen zu baden. Uns wurde nie der Strom abgeschaltet, weil Mum die Rechnung nicht bezahlt hatte, und wir mussten uns auch nicht mehr verstecken, wenn es an der Tür klingelte, weil vielleicht jemand draußen stand, der Geld haben wollte. Jamie und ich hatten immer das Gefühl gehabt, auf Mum aufpassen zu müssen, aber seit Opa sich um Mum und ihre Krankheit kümmerte, waren wir unbesorgt.
    »Eure Mum braucht Hilfe, weil bestimmte Stoffe in ihrem Körper manchmal nicht so funktionieren, wie sie es sollten und wie sie es bei uns tun«, erklärte Opa Jamie und mir einmal. »Sie kann nichts dafür, das dürft ihr nicht vergessen.«
    Nach monatelanger Überzeugungsarbeit gelang es Opa endlich, dass Mum einen Arzt aufsuchte. Anschließend musste er sie abwechselnd überreden, anflehen, erpressen oder sogar dazu zwingen, ihre Medikamente regelmäßig einzunehmen. Mum weigerte sich anfangs immer und stürmte zornig aus dem Zimmer, aber Opa gab nie auf.
    »Komm schon, Liebes«, sagte Opa und streichelte Mum übers Haar, und irgendwann schluckte sie wie ein braves Kind ihre Pillen. Opa bekniete sie außerdem, zu einem Therapeuten zu gehen, und sie tat es tatsächlich, wenn auch nicht regelmäßig.
    Aber allmählich ließen Mums Hochs und Tiefs nach, ihr Verhalten stabilisierte sich. Jamie und ich lernten nun eine Person kennen, die wir kaum als unsere Mutter wiedererkannten. Sie war jetzt weder stark depressiv noch übermäßig selbstbewusst und egoistisch.
    Die Veränderung ging schleichend vor sich, und manchmal verfiel Mum wieder in alte Muster. Aber ich war so viel glücklicher und Jamie auch. Ich habe Mum immer viel näher gestanden als er, doch jetzt malte er in der Schule Bilder für sie, machte ihr Frühstück oder legte ihr Blumen aufs Kopfkissen.
    Ganz normale Dinge.
    Plötzlich waren wir eine normale Familie.
    Aber wie ich vorhin schon sagte: Wenn mir etwas Gutes passiert, folgt etwas Schlechtes. Als Jamie und ich zwölf waren, wurde Opa sehr krank, und es begann ein Jahr der Klinikbesuche.
    »Opa hat Krebs«, erklärte Mum uns. »Die Ärzte wissen nicht, ob er sich wieder erholt.« Sie hatte Tränen in den Augen, als sie mit uns sprach, doch die melodramatischen Gefühlsausbrüche, die ihre Krankheit gekennzeichnet hatten, gehörten der Vergangenheit an. »Auf jeden Fall wird er erst einmal im Krankenhaus bleiben müssen.«
    Im Besucherraum der Klinik, wo wir von nun an viele unglückliche Stunden verbrachten und auf die neusten Nachrichten über Opas Gesundheitszustand warteten, hing ein Plakat. Eine von vier Personen erkrankt an Krebs , stand über einem Bild von einer weißen Blondine, einem jungen Schwarzen, einer älteren Asiatin und einem Mann mittleren Alters. Je dünner Opa wurde, je mehr er in sich zusammenzufallen schien, desto öfter fragte ich mich, wer die anderen drei Leute waren, die keinen Krebs bekamen, weil Opa ihn hatte. Es fiel mir schwer, sie nicht zu hassen.
    Die Operationen und die Chemotherapie halfen Opa nicht, also kam er kurz nach unserem dreizehnten Geburtstag nach Hause, um zu sterben. Still und reglos lag er im Bett, zuckte nicht mal mit den Lidern. Die starken Schmerzmittel ließen ihn immer wieder in die Bewusstlosigkeit abtauchen. Er schien uns die meiste Zeit nicht zu erkennen. Mein Herz fühlte sich an, als sei es zerbrochen, und ich konnte mir nicht vorstellen, dass es je wieder heilen würde.
    »Warum muss Opa sterben?«, fragte ich Mum. »Das ist nicht gerecht.«
    Sie und ich kuschelten uns unter einer

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