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Böser Bruder, toter Bruder

Böser Bruder, toter Bruder

Titel: Böser Bruder, toter Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narinder Dhami
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Vorgarten mit dem kleinen Teich und der dekorativen rot-schwarzen Brücke darüber, das elektrische Tor, der glänzende schwarze Mercedes und der nagelneue rot-weiße Mini, der dahinter parkt e – all das schrie förmlich: Sieh her! Ich hab’s geschafft! Ich bin reich!
    Mir war schlecht vor Anspannung. Aber ich hatte meine Zweifel, ob ich mich bei Leo Jackson beliebt machen würde, wenn ich auf seine makellose Auffahrt kotzte. Sollte ich lieber verschwinden? Was wollte ich hier? Warum hatte ich mir keinen Plan zurechtgelegt? Hatte ich gedacht, ich brauchte einfach nur zur Tür gehen und klopfen? Und wie trat man seinem Vater nach vierzehn Jahre gegenüber? Gab es da irgendwelche Verhaltensregeln?
    Mir war das alles zu viel.
    Ich musste erst mal darüber nachdenken .
    Mit weichen Knien trat ich einen Schritt zurück.
    »Entschuldigung, kann ich dir helfen?«
    Ich fuhr herum. Einen Augenblick lang dachte ich irrsinnigerweise, dass der Mann mit der Zeitung unterm Arm Jamie war. Ich sah das gleiche Haar, es fiel ihm ebenfalls in die Stirn, die dunklen Augen und die große, schlanke Gestalt. Ich sah Jamie, und ich sah mich. Und ich verstand.
    Das war mein Vater.
    Der höfliche, neugierige Ausdruck auf Leo Jacksons Gesicht verwandelte sich in Fassungslosigkeit, und innerhalb weniger Sekunden wich alle Farbe aus seinen Wangen. Auch er hatte sofort begriffen, wen er vor sich hatte. Also wusste er von Jamie und mir.
    Wir standen einander gegenüber und starrten uns schweigend an. Zweimal räusperte er sich, aber ihm kam kein Wort über die Lippen. Doch schließlich schaffte er es.
    »Bist du Mia?«
    »Ja.«
    »Macht es dir was aus, wenn wir ein Stück vom Haus weggehen?«
    Leo, mein Vater, streckte die Hand aus, um mich am Arm zu fassen, überlegte es sich dann aber anders. Er wollte mich nicht berühren, und das war mir nur recht.
    »Meine Fra u … sie weiß nichts, verstehst du?«
    Schweigend folgte ich ihm bis zum Ende der Straße. Alles in mir war taub, als steckte ich in einem Eisblock. Wir blieben erst stehen, als das Haus nicht mehr zu sehen war.
    »Wie geht es deiner Mutter?«, fragte Leo mich nervös. »Hat sic h … ihr Zustand verbessert?«
    Jetzt wurde mir klar, warum Leo Mum verlassen hatte. Ihre Krankheit hatte ihn wahrscheinlich so sehr belastet, ihn so verzweifelt gemacht, dass er geflohen war, um ein neues Leben zu beginnen. Aber was war mit Jamie und mir? Er hatte uns zurückgelassen, ohne sich groß Gedanken zu machen, was aus uns werden würde.
    »Nicht wirklich«, erwiderte ich mit leicht belegter Stimme. Äußerlich war ich erstaunlich ruhig. Es kam mir so vor, als stünde ich selbst neben mir und würde beobachten, wie ich mich höflich mit dem Mann unterhielt, der zufällig mein Vater war. »Es wurde besser, als wir bei Opa einzogen, weil er sie überreden konnte, zum Arzt zu gehen. Aber dann ist Opa gestorbe n …«
    »Also hat er es tatsächlich gemacht«, sagte Leo mehr zu sich selbst. »Und sie schließlich gefunden.«
    »Was meinst du damit?«, fuhr ich ihn an. Jetzt hörte man meiner Stimme die Aufregung an.
    Plötzlich lechzte ich nach jedem Detail, wollte von meinem Vater alles hören, was er wusste.
    »Deine Mutter und ich haben uns getrennt, bevor wir wussten, dass sie schwanger war«, sagte Leo. Es war ihm anzusehen, wie unbehaglich er sich fühlte, als ob ihn mein Gefühlsausbruch aus dem Gleichgewicht gebracht hätte. »Sie nahm später Kontakt mit mir auf und erzählte mir, dass sie Zwillinge erwartete. Und dass sie euch Mia und Jamie nennen würde.«
    Ich blieb stumm.
    »Die Sache war die: Ich hatte einen Traumjob in den Staaten in Aussich t …« Leos Stimme zitterte ein wenig. »Ich wollte unbedingt dahin, aber ich hatte ein schlechtes Gewissen, sie allein zurüc k …«
    »Du hättest uns mitnehmen können!«, unterbrach ich ihn. Ich spürte Wut und Bitterkeit in mir aufsteigen.
    Mein Vater schüttelte den Kopf. »Es war aus, Mia.«
    »Obwohl du wusstest, dass sie mit uns schwanger war?« In diesem Moment spürte ich abgrundtiefen Hass. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, dass ich zu solchen Gefühlen überhaupt fähig war. Aber wahrscheinlich ist das jeder, wenn er nur stark genug provoziert wird.
    »Ich konnte nicht mehr zurück.« Mein Vater verschränkte die Hände ineinander, und seine Knöchel traten weiß hervor. Die langen, schlanken Finger und die ovalen Nägel hatten Jamie und ich ebenfalls von ihm. »Doch ich konnte auch nicht einfach verschwinden. Ich war Annabels Eltern

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