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Böser Bruder, toter Bruder

Böser Bruder, toter Bruder

Titel: Böser Bruder, toter Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Narinder Dhami
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dass Leo Jackson mich im Stich gelassen hatte.
    Jamie hob die Hand, um mir eine Strähne aus dem nassen Gesicht zu streichen, überlegte es sich jedoch ander s – genau wie mein Vater es getan hatte. Abrupt wandte er sich von mir ab und schob beide Hände in die Hosentaschen.
    »Wann lernst du’s endlich, Mia?«, sagte er müde. »Hör auf, nach Leuten zu suchen, auf die du dich stützen könntest. Der einzige Mensch, auf den du bauen kannst, bist du selbst. Leo Jackson hat Mum verlassen, und er hat uns verlassen. Ja, vielleicht hatte er gerade eben Gewissensbisse, aber sonst kümmert er sich doch einen Dreck um uns. Von ihm kannst du nichts erwarten.«
    »Er hat Angst, dass seine Frau von uns erfährt.« Ich fühlte mich erschöpft, völlig ausgelaugt und hätte mich gerne an ihn gelehnt. Aber nachdem er die Hand weggezogen und sich von mir abgewandt hatte, wollte ich es nicht riskieren, noch einmal von ihm abgewiesen zu werden. »Er glaubt, sie würde ihn verlassen und die Kinder mitnehmen.«
    »Das geschähe ihm recht.« Jamies Miene war unbarmherzig kalt. »Er soll ruhig erfahren, wie es ist, wenn man verlassen wird. Er hat nichts anderes verdient.«
    Seine Worte machten mir Angst. Nach unserem Besuch bei Dr . Zeelander hatte er etwas ganz Ähnliches gesagt.
    Eine Woche später zog es mich noch einmal in die Gladstone Road. Warum, weiß ich nicht. Vielleicht hatte ich eine dumpfe Ahnung, dass etwas Schlimmes passieren könnte. Jamie erzählte ich nichts davon. Insgeheim hatte ich in den letzten Tagen gehofft, dass mein Vater sich mit mir in Verbindung setzen würd e – Opas Adresse kannte er ja. Doch er tat es nicht.
    The Pines war nicht mehr wunderschön und makellos. Eine Seite des Hauses war rußgeschwärzt, die Fenster waren zerborsten. Der Vorgarten war verwüstet, und die rot-schwarze Brücke lag in acht Stücke zerteilt im niedergetrampelten Gras. Der Mercedes und der Mini waren verschwunden.
    Ich blieb am Tor stehen und starrte auf diesen Ort der Zerstörung, aber ich war nicht wirklich überrascht. Ich musste mich an den Eisenstäben des Tors festhalten, weil mir plötzlich schwindlig wurde. Ich wusste Bescheid.
    »Geht es dir nicht gut, Liebes?«
    Es kostete mich viel Kraft, meinen Kopf zu drehen und nachzusehen, wer mich angesprochen hatte. Auf dem Nachbargrundstück, The Beeches, kniete eine ältere Frau vor einem stilvollen Blumenbeet und zupfte Unkraut. Sie musterte mich besorgt.
    »Doch, alle s … alles in Ordnung.« Meine Kehle war trocken, die Zunge wie angeschwollen und ich bekam die Worte nur stockend heraus. »Is t … ist jemand verletzt worden? Bei dem Brand?«
    »Nein, sie konnten sich alle rechtzeitig in Sicherheit bringen, mach dir keine Sorgen.« Die Frau sah mich mitfühlend an. »Sie sind in ein Hotel gezogen, bis die Versicherung hier aufgeräumt und den Fall geklärt hat. Kanntest du die Familie?«
    »Nein«, erwiderte ich hastig. »Na ja, flüchtig. Weiß man schon, was die Brandursache war?«
    »Nein, noch nicht.« Die Frau schien zu zögern, ob sie mir noch mehr sagen sollte, und ich konnte es ihr nicht verübeln. Ich muss wie eine Irre ausgesehen haben, als ich leichenblass und mit weit aufgerissenen Augen den Zaun umklammerte, als hätte ich Angst, dass ich sonst hinfallen und in tausend Teile zerspringen würde.
    Für mich war der Fall klar: Jamie hatte erneut seinen Frust und Zorn an den Menschen ausgelassen, die uns abgewiesen und im Stich gelassen hatten. Wie weit würde er noch gehen? So wie es aussah, gab es für ihn keine Grenzen mehr.
    Als ich The Pines an jenem Tag wie betäubt hinter mir ließ und nach Hause zurückkehrte, kreisten meine Gedanken um Mum und mich und die Frage, welche düsteren Taten Jamie als Nächstes geplant hatte.

Zwölf
    Montag, 10. März, 9.50 Uhr
    Ich habe so viel Angst wie noch nie in meinem Leben. Ich stecke im Fenster fest und komme weder vor noch zurück. Mit dem Oberkörper hänge ich über der Toilette, mit dem Unterkörper hänge ich draußen in der Luft.
    Wenn jetzt ein Polizist um die Ecke böge, sähe er nur meine zappelnden dürren Beine. Sicher ein lustiger Anblick, nur leider ist mir gar nicht zum Lachen.
    Oh Gott, ich krieg keine Luft mehr!
    Ich beginne zu hyperventilieren. Links und rechts von mir sind noch ein paar Zentimeter Platz, aber nicht unter und über mir.
    Der Fensterrahmen gräbt sich in meine volle Blase, und jedes Mal, wenn ich eine Bewegung mache, schramme ich mir den Rücken an der Unterkante des klemmenden

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