Böser Engel
um unter die Leute zu kommen.
Wir waren beeindruckt davon, wie höflich Zorro mit Shirley umging – bis sie eines Abends schluchzend und verwirrt mit ihrem Sohn vor unserer Tür stand. »Zorro hat Tabletten geschluckt und ist ausgeflippt«, sagte sie. »Er hat mit seiner Knarre rumgeballert. Ich kann nicht zurückgehen. Ich habe gewartet, bis er eingeschlafen ist, dann bin ich abgehauen.« Sie sagte, Zorro sei durchgedreht, weil ein australischer Schäferhund, ein Findling, ihm nicht gehorcht habe. Er habe den Hund mit Gewehrfeuer einen Hügel hinaufgejagt und, als Shirley ihn davon abhalten wollte, damit gedroht, das Gleiche mit ihrem Sohn zu tun.
Wir ließen sie bei uns übernachten und fuhren am folgenden Morgen zum Telefonmast. Zorro stampfte mit seinem Gewehr herum, also schirmte ich Helen ab. Niemand konnte wissen, wie er auf den Mann reagieren würde, der ihn verkrüppelt hatte. »Was ist los?«
»Ich wusste, was ich tat«, sagte er ganz ruhig. »Ich hätte den Hund erschießen können, wenn ich das gewollt hätte. Aber ich wollte ihm nur Angst einjagen.«
Ich nickte. Manchmal verspürte ich selbst Lust, Menschen und andere Tiere einzuschüchtern.
Kapitel 27
Die »Filthy Few«
»Zu den Filthy Few gehört, wer als Mitglied des Oakland-Charters vor den Augen eines Mitglieds der Filthy Few jemanden für den Club tötet.«
Vertraulicher Bericht des kalifornischen Justizministeriums, Abteilung Organisiertes Verbrechen, aus dem Jahr 1973
»Die Filthy Few sind etwa zehn oder elf Männer im Oakland-Charter, die schmutzige Arbeit erledigen. Es ist Blödsinn zu behaupten, dass sie vor anderen Mitgliedern morden müssen. Das Ganze spielt sich mehr oder weniger so ab: Wenn jemand Geschäfte macht und den Club betrügt, erteilt dir der Präsident den Auftrag, die Leute zu suchen, die du brauchst. Du rufst zwei andere an und vereinbarst ein Treffen. Niemand sonst ist dabei. Dann geht ihr zu dritt zu dem Sünder und bringt ihn um. Wenn ihr nicht auf frischer Tat erwischt werdet, erwischt man euch nie.«
Ein örtlicher Ermittler
O bwohl die Justizbehörden im Allgemeinen darin übereinstimmen, dass die Filthy Few ein vertrauter innerer Kreis von Clubmitgliedern sind, gibt es unterschiedliche Ansichten darüber, welche Anforderungen sie erfüllen müssen und was für Morde sie im Namen des Clubs begehen. Die Kontroverse ist verständlich, denn die Aktivitäten der Filthy Few sind die am besten gehüteten Geheimnisse in einer extrem verschwiegenen Gemeinschaft.
Nur sehr wenige Angels wurden des Mordes überführt. Dennoch heißt es in einem 91-seitigen Regierungsbericht vom April 1973, die Mitgliedschaft bei den Filthy Few werde durch Mord erworben und im Charter Oakland gebe es 13 bekannte Mitglieder dieses Zirkels. Die Angaben stützten sich auf die Zahl der Angels, die das rot-weiße Abzeichen mit dem doppelten Blitz trugen, das dem SS-Symbol der Nazis ähnelte. Man muss allerdings darauf hinweisen, dass nur einer dieser 13 Männer wegen Mordes verurteilt wurde.
In dem Bericht steht weiter, man »vermute«, dass die Filthy Few auch Mordaufträge von Nichtmitgliedern angenommen hätten, die den Ruf des Clubs kannten und Angels als Killer anheuern wollten. Der Preis liege wahrscheinlich bei 4000 bis 10 000 Dollar, das Prozedere sei wie folgt:
Das Mitglied, das zuerst angesprochen worden war, traf sich mit den Filthy Few und brachte das Geld mit. Der Name des Opfers und seine Anschrift wurden auf ein Stück Papier geschrieben, dann wurde der Vollstrecker ausgelost. Das Geld blieb im Club, bis der Auftrag ausgeführt war. Manchmal wurde ein Termin vereinbart, manchmal hatte das Mitglied freie Hand.
Einige lokale Ermittler behaupteten jedoch, diese Morde würden von engen Freunden innerhalb der Filthy Few begangen und es gebe keine festen Regeln. Nur unmittelbar beteiligte Mitglieder wüssten über belastende Details Bescheid. Das bedeute, dass ein Spitzel sich selbst belasten und zudem die Rache des Clubs fürchten müsse. »Ich glaube nicht, dass sie jemals einen Auftrag von einem Außenstehenden annehmen würden«, sagte ein Beamter, der ein Jahrzehnt lang Angels-Fälle bearbeitet hatte. »Um sich selbst zu schützen, hätten sie den Auftraggeber beseitigen müssen.«
Ich kannte die Filthy Few als Trunkenbolde, die sich ihren Namen nach einem Bass Lake Run auf einer wilden Party im Yosemite-Nationalpark zulegten. Für mich waren sie nie mehr als eine draufgängerische Gruppe innerhalb des Clubs. Vielleicht
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