Böser Engel
wurden in der Nähe im Gebüsch geschnappt. Im Kofferraum lagen Dan Jarman, 27, mit Schnittwunden und Prellungen, William D. Hood, 29, alias »Willie the Hood« und Russell Huddleston – mit durchschnittener Kehle, aber immer noch atmend. Hood und Huddleston waren gefesselt und geknebelt. Was ihnen bevorgestanden hätte, war ziemlich offenkundig. Die Insassen eines zweiten Autos warfen vier Kurzwaffen und eine Flinte auf die Straße, außerdem einen Munitionsbeutel und einen breiten Ledergürtel mit silberner Schnalle, auf der »Sonny Barger Jr., 1957–67, Präsident Oakland Hells Angels« stand. Sonny, Russell Beyea und Gary Popkin, 27, wurden festgenommen. Die Höhe ihrer Kautionen bewegte sich zwischen 200 000 Dollar für Sonny und 125 000 Dollar für Bert. Die Anklagen lauteten unter anderem auf versuchten Mord, Entführung und Körperverletzung mit einer tödlichen Waffe. Alle fünf gaben schließlich eine ungesetzliche Freiheitsberaubung zu, ein weniger schweres Delikt.
Dieser Fall zog mich noch tiefer in die Angelegenheiten des Clubs hinein. Sonny bat mich, die Ranch als Sicherheit für die Kautionen zur Verfügung zu stellen. Ich hatte so viel Vertrauen zu ihm gehabt, dass ich ihm einige Zeit zuvor mit der Ranch ausgeholfen hatte – zum Beispiel damals, als er gegen seine Kautionsauflagen verstoßen und die Kaution hatte verfallen lassen –, aber die Kofferraumgeschichte brachte vier weitere Mitglieder ins Spiel. Ich stimmte erst zu, nachdem Sonny mir garantiert hatte, dass niemand seine Kaution verfallen lassen und dadurch das Anwesen aufs Spiel setzen würde.
Nachdem ein Makler in Ukiah den Wert der Ranch auf 160 000 Dollar geschätzt hatte, gingen Gary Popkin, Sir Gay und ich ins Büro von John Ballastrasse, der Sonnys Kautionsbürge war. 55 Als ich hörte, dass Sonnys Schwester Shirley ihr Haus nicht verpfänden wollte, wurde ich argwöhnisch. Darum unterschrieb ich erst, als Tiny mit Tony, dem Bruder des Kautionsbürgen, zu mir kam und mir noch einmal versicherte, das Grundstück sei nicht in Gefahr.
Es gab auch eine versteckte Drohung. Als der Kautionsbürge gegangen war, sagte Tiny lächelnd zu Helen: »Deine Schwäche sind die Kinder. Mit den Kindern könnte ich dich immer kriegen.«
»Wenn du meine Kinder anrührst, lege ich dich um«, zischte sie.
Kaum waren die Kautionen hinterlegt, plagten mich Gewissensbisse. Ich hatte den Traum meiner Familie für ein zerknittertes Papier eingetauscht, auf dem »160 000 Dollar« stand. Wenn einer der fünf Beschuldigten sich absetzte, konnte ich mir mit diesem Papier eine Zigarre anzünden.
Meine größte Sorge war Beyea, der 1971 wegen Totschlags verurteilt worden war. Damals waren bei einem Bandenkrieg zwischen Bikern auf einer Autoausstellung in Cleveland, Ohio, mehrere Menschen getötet worden. Zusammen mit »Mouldy Marvin« Gilbert war Beyea einige Zeit zuvor beschuldigt worden, einen 24-jährigen Hafenarbeiter zu Tode getrampelt zu haben, der den Fehler begangen hatte, den »Negerhandschlag« (mit Verhaken der Daumen) zu benutzen, als er vorbeikam, um ein Motorrad zu besichtigen. Russell hatte sich schon einmal vor einer Gerichtsverhandlung gedrückt.
Die Lage verschlimmerte sich am 28. Mai 1972, nur drei Tage nachdem Sonny und zwei andere Angels beim Obersten Gerichtshof Kaliforniens beantragt hatten, die Anklage wegen Entführung fallen zu lassen, da sie ihrem Ruf »irreparablen Schaden« zufüge. Sonny, »Whitey« Smith, Gary Popkin, Sir Gay und seine Frau Anita wurden wegen vierfachen Mordes im Zusammenhang mit Drogenschmuggel und dem Versuch, Kokain im Wert von 90 000 Dollar zu kaufen, verhaftet. Bei den Hausdurchsuchungen beschlagnahmte die Polizei 25 Waffen, davon 9 in Sonnys Haus, sowie Filmnegative von gefälschten Führerscheinen, einen nicht identifizierbaren menschlichen Schädel und 31 Fotos von exotischen Waffen. Eines der Fotos zeigte die angebliche Mordwaffe, eine automatische Pistole Kaliber .32 mit Schalldämpfer. Solche Waffen hatten die Spione der Alliierten im Zweiten Weltkrieg benutzt. (Die Anklage gegen Anita Walton wurde später fallen gelassen. Der einzige Mord, der vor Gericht kam, war der an dem mutmaßlichen Drogenhändler Servio W. Agero aus Texas. Die Angeklagten wurden freigesprochen.)
Inmitten dieser Geschehnisse berief ich ein dringendes Treffen mit Durt und Bert ein. Ich wollte herausfinden, ob Russell vorhatte abzuhauen. »Wenn er die Kaution verfallen lässt, muss ich etwas ausgraben«, erklärte
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