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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Wethern
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    Jeder Motorradclub, ja sogar jedes Charter der Angels, strebte nach der Oberhoheit. Es kam zu Streitereien, weil wir die Straßen als unser Revier, die Kneipen als unsere Privatclubs und die Frauen als unser Eigentum betrachteten. Zufällige Begegnungen lösten Missgunst und Streitigkeiten aus. Einige weiteten sich derart aus, dass wir unsere stärkste Waffe einsetzten: die Auflösungsverfügung.
    Um einen Club aufzulösen, verprügelt man zuerst einen ordentlichen Teil seiner Mitglieder und reißt ihnen dann als Gnadenstoß die Abzeichen von den Jacken. Es war eine Art Skalpieren. Auf diese Weise vernichteten wir die Paisano Boys und die Hayward Angels. Eigentlich hatten wir den Hayward Angels (früher Question Marks) den Clubstatus zugestanden, aber sie hatten ihre Lehenspflichten nicht ordentlich erfüllt.
    Anders und bisweilen härter waren unsere Feldzüge gegen schwarze Biker. Die einzelnen Mitglieder hatten unterschiedliche Einstellungen zur Rassenfrage, doch in der Regel war der Club reaktionär und von der Überlegenheit der Weißen überzeugt. Viele Mitglieder, auch ich, waren in gemischtrassigen Vierteln aufgewachsen, in denen es rau zuging; andere mussten zusehen, wie ihr Revier »eingeschwärzt« wurde. Noch schlimmer fanden wir es, dass manche Gruppen von »Niggern« die Frechheit besaßen, Harleys zu fahren und sich Motorradclub zu nennen. Aber sie hatten einen anderen Stil, und wir verspotteten sie, weil sie poppige und geschniegelte »Müllkutschen« mit gefransten Lenkern, Waschbärschwänzen, Satteltaschen und mehr Reflektoren als ein Lkw fuhren. Manchmal platzten wir in ihre Partys, zettelten Streit an und verhöhnten sie.
    Nach einer Party der Peacemakers brachen einige Angels einen kleinen Streit vom Zaun. Und dann kam Dumbo ums Leben, als eine Gruppe von Schwarzen ihr Auto vor seinem Motorrad absichtlich jäh abbremste. Das kotzte die Jungen gewaltig an. Dumbo war einer dieser gemütlichen Typen, die nur achtzig Kilometer in der Stunde fuhren und sich ansonsten um ihre eigenen Angelegenheiten kümmerten. Also ließ der Club den Tätern über ihre Familien mitteilen: »Ab in den Knast oder ihr seid tot!« Die Schuldigen gingen ins Gefängnis, und ihre Familien zogen weg.
    Die Rattlers in San Francisco waren ein Club von Schwarzen, den wir duldeten. Sie waren beinahe so was wie schwarze Hells Angels: Sie glätteten ihr Haar, trugen irre Mützen und fuhren Motorräder ohne Firlefanz. Einmal luden sie uns zu einer Party in ihr Clubhaus in der Filmore Street ein, und wir gingen hin. Bei Musik und Alkohol verbrüderten wir uns. Einige Angels gingen sogar so weit, mit schwarzen Frauen zu tanzen – und mindestens einer ging noch weiter. Als ich gerade ein paar Phenobarbital-Tabletten kaute, die mir ein Angel aus Frisco gegeben hatte, schoben mich zahlreiche schwarze und weiße Hände auf die Bühne. Die Sängerin, eine 110 Kilo schwere Matrone, zog mich auf ihren Schoß und schmetterte noch einen Blues. Alle tanzten wie die Wilden. Eine weiße und eine schwarze Elite amüsierten sich gemeinsam.
    ***
    Zu Beginn der 60er-Jahre hatten wir nicht viel vorzuweisen, was uns von den zahlreichen Gangs unterschieden hätte, die Marlon Brandos Film Der Wilde hervorgebracht hatte. Die Angels waren über den ganzen Bundesstaat verstreut, aber die meisten Charter genossen Autonomie. Wir begründeten ein paar Trends, was die Aufmachung und das Ummodeln der Motorräder anbelangte, doch unser Stil war typisch für Biker. Jeder Einzelne von uns war so hartgesotten wie ganze andere Clubs. Was uns – vor allem das Oakland-Charter – aber wirklich von den anderen unterschied, war ein Gefühl der Bruderschaft, das auf langjährigen Freundschaften basierte. Anwärter waren Freunde oder Freunde von Freunden. »Es ist nicht leicht, bei uns reinzukommen«, sagte Sonny einmal. »Wir bleiben lieber klein, damit sich Korpsgeist entwickelt.«
    Im Jahr 1959 traf sich das Charter Oakland freitagabends im Keller von Juniors Haus. Nachdem jeder eine möglichst bequeme Kiste gefunden hatte, reichten wir Zigaretten herum und schwelgten in unserem Image als rebellische Außenseiter. Die Jungs rauften ein bisschen und lachten über irgendetwas, hörten aber auf, als Juniors Vater die Treppe herunterkam, um an seinem Boot zu arbeiten. »Hallo, Mr. G.«, sagten wir höflich, und der muskulöse kleine Mann tauschte Nettigkeiten mit uns aus.
    Sobald er weg war, fielen wir in unsere Rolle als »böse Jungs« zurück, deren

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