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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Wethern
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»Verbrechen« meist mit Krawallen, minderjährigen Frauen, gestohlenen Motorradteilen und billigen rezeptpflichtigen Medikamenten zu tun hatten. Die meisten von uns waren im Grunde ehrliche Arbeiter oder Hilfsarbeiter, die etwas Aufregendes erleben wollten. Andere klauten, um zu überleben, und schlugen ihr Lager bei Freunden auf. Die Clubtreffen und die anschließenden Partys brachten uns einander näher.
    Wir prahlten mit Kämpfen, Frauen und verpassten Verabredungen mit dem Tod, und wir kippten Cocktails aus Alkohol und codeinhaltigem Hustensaft. Dabei plauderten wir über Bagatellen wie Motoren und Vergaser. Teile und ganze Maschinen wurden gekauft und verkauft, und jeder von uns erwarb sich einen Ruf in der Motorradwelt. Ich bastelte ständig an meiner Elektrik und an den defekten Lampen herum. Tropfendes Öl machte Sonny verrückt. J. B.s Motorrad war in einem so schlechten Zustand, dass er die ganze Gruppe aufhielt, wenn er es zu starten versuchte. (Eines Tages zwangen wir ihn, die Maschine reparieren zu lassen: Wir zerlegten sie in ihre Einzelteile und überreichten sie ihm in Kisten verpackt.)
    Sonny leitete die Meetings nach strengen parlamentarischen Regeln. Zuerst wurde das Protokoll des vorigen Treffens verlesen, dann sammelte jemand die wöchentlich fälligen Mitgliedsbeiträge ein – 25 Cent pro Kopf. Der Schatzmeister setzte säumige Schuldner unter Druck; dennoch häuften einige Schulden bis zu einem Dollar an, weil sie jede Woche ihre letzten Cents fürs Benzin ausgaben. Sobald rund fünfzig Dollar in der Kasse waren, heuerten wir eine Band an, besorgten ein Fass Bier und schmissen eine Party.
    Sonnys organisatorische Fähigkeiten dominierten alle Entscheidungen. Er reagierte schnell, lenkte die Diskussionen, erteilte den Sprechern das Wort und fasste die Argumente zusammen. Und wenn er zum Schluss sagte: »Okay, wir machen es so«, stimmten ihm alle zu. Wenn es um Ausfahrten, Attacken oder Geselligkeit ging, hatte er so viele gute Ideen, dass niemand ihn ernsthaft als Anführer in Frage stellte.
    Bei einem Treffen Ende 1959 stieß er jedoch auf Widerstand. Zuversichtlich und fast beiläufig eröffnete er die Diskussion über die Wahl des Vizepräsidenten, denn der Clubpräsident hatte bei uns wie in der Politik ein gewichtiges Wort mitzureden, wenn es um seinen Stellvertreter ging. Kurz und mit ruhiger Stimme schlug er mich vor.
    Angesichts dieser Unterstützung roch ich bereits die Macht und sah schon das »Vice-Pres.«-Abzeichen an meiner Kutte. In meiner Aufregung tat ich es kurzerhand als reine Formsache ab, dass auch Swede nominiert wurde – aber der Club wählte ihn. Dies war überhaupt das erste und wahrscheinlich letzte Mal, dass die Mitglieder einen Vorschlag von Sonny ablehnten.
    Ich war niedergeschmettert, fühlte mich zurückgewiesen von einer Gruppe, zu der ein halbes Dutzend meiner ältesten und engsten Freunde gehörte. Aber ich schluckte die Pille ohne Verbitterung, denn mir war klar, dass Swede erfahrener und schlauer war als ich. Doch insgeheim nahm ich mir vor, irgendwann die Nummer zwei zu werden. Wenn der Club unterwegs war, fuhr ich voraus. Wenn der Club kämpfte, schlug ich als Erster zu. Und wenn der Club feierte, verschlang ich die Leckerbissen. Ich war überall dabei.
    Mit der Clubführung hatte ich weiterhin engen Kontakt. Nur wenige Leute durften in Sonnys Privatsphäre eindringen, aber ich verstand mich gut mit ihm. Es war eine sonderbare Freundschaft, weil wir uns nicht sehr ähnlich waren. Sonny musste man ein Lächeln abringen, ich aber war ganz unbekümmert. Er war zäh für seine Größe, obgleich seine körperliche Ausstattung nicht die beste war; ich hingegen war nach allen Maßstäben ein Schwergewicht. Er spielte den starken, leisen Typ, während ich mit meiner Meinung nie hinter dem Berg hielt.
    Sonny war ein berüchtigter Langschläfer, und mir machte es Spaß, ihn aus dem Bett zu holen und aufs Motorrad zu scheuchen. »Steh auf, verdammt«, schrie ich und klopfte ihm mit einem Besen auf die Füße. »Du kannst nicht den ganzen Tag im Bett liegen. Ich bin längst auf. Los, komm.« Wenn Sonny dann fluchte oder sich umdrehte, um weiterzuschlafen, schob ich den Besenstiel unter die Bettdecke, hebelte ihn hoch und rollte ihn auf den Boden. Dann piesackte ich ihn so lange, bis er sich anzog.
    An vielen Wochenenden fuhren wir die von Kiefern gesäumten kurvigen Straßen der East Bay entlang. Manchmal rasten wir nur herum, und Sonny reparierte meine Maschine,

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