Böser Engel
verbünden.
Allen war klar, dass der neue Aufnäher eine bewusste Provokation war, aber wir wollten uns eindeutig von Wochenend- und Möchtegernbikern abgrenzen, die nur mit Motorrädern spielten.
Begeistert von unserem Bündnis und wackelig vom Wein, zerstreuten sich die Gesetzlosen über ganz Kalifornien, um ihre Truppen zu informieren und Aufnäher zu bestellen. Sonny und ich bestiegen unsere Harleys, sturzbetrunken, aber besessen von dem Gedanken, alle anderen zu übertrumpfen. Ein kleines Abzeichen mochte anderen Einprozentern genügen, aber nicht uns. Wir fuhren über die Bucht zu Richs Tätowierstudio in der Stadtmitte von Oakland. Kaum hatten wir ihn unterrichtet, schrieb seine Nadel Bikergeschichte. Ich war zu blau und realisierte es erst am nächsten Morgen, doch Sonny und ich trugen nun als Erste die berühmten Einprozenter-Tattoos – ein Symbol, das wahrscheinlich so lange existieren wird wie die Outlaw-Biker selbst.
Bald standen unsere Brüder in Oakland Schlange, um dasselbe Tattoo zu bekommen. Allmählich glaubten wir selbst daran, etwas Besonderes zu sein. Wir führten ein paar Regeln und Rituale ein, bei denen es bloß ums Motorradfahren ging, und glaubten, damit eine kleine Armee aufzubauen. In Wirklichkeit war es der vorläufige Entwurf einer Geheimgesellschaft.
Wir wollten unser eigenes Hauptquartier haben, einen Ort, an dem wir uns austoben konnten, ohne Juniors Eltern zu stören oder mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen. Also mieteten wir ein heruntergekommenes viktorianisches Haus am San Leandro Boulevard in einem Schwarzen-Ghetto. Dem Gebäude drohte zwar die Beschlagnahme, aber die Miete war niedrig, und es kümmerte niemanden, wie laut wir schrien und wie viel Glas wir zerschmetterten. Wir tauften das Haus »Schlangengrube«. 5
Einige Mitglieder, darunter Johnny Angel, schliefen dort, aber es war vor allem der Ort, an dem wir zusammenkamen, uns betranken und mit offiziellen Bräuten und gemeinsamen »Mamas« Partys feierten. Ab und zu wurde dort eine streunende Teenagerin »eingeweiht«, ausgezogen und genagelt, bis die Jungs sie satt hatten.
Einmal in der Woche ließen wir uns zwischen Biker-Graffiti und kleinen Pyramiden aus Bierdosen zu einer ernsthaften Besprechung nieder. Der Boden war derart mit Zigarettenkippen und anderem Abfall übersät, dass wir um die wenigen Stühle und ein ausgeweidetes Sofa kämpften. Aber das Trinken, Raufen und Hänseln hörte auf, sobald die Anwesenden zur Ordnung gerufen wurden.
Wir sprachen hauptsächlich über Aktivitäten wie wöchentliche Ausfahrten oder simple Spazierfahrten durch die Straßen. Um die Mitglieder zu motivieren, veranstalteten wir zudem Wettbewerbe. Es gab sogar eine Plakette für das aktivste Mitglied und nach fünf Jahren Mitgliedschaft eine Sonderplakette, die man sich zu Hause an die Wand hängen konnte.
Wir begannen auch Grundregeln aufzustellen, aber nicht viele. Keiner hatte eine echte Chance, die Regeln zu brechen, es sei denn, er war allein. Wenn andere in der Nähe waren, wiesen sie ihn auf sein Fehlverhalten hin. Die Regeln wurden ziemlich genau befolgt, und wir lebten nach einem lockeren Kodex. Geheim war allenfalls der Klatsch über inaktive Mitglieder, und selbst denen gaben wir die Chance, sich durch fleißige Beteiligung am Clubleben zu rehabilitieren. Wer diese Einladung ausschlug, wurde rausgeworfen. Am häufigsten schlossen wir Mitglieder aus, die dreimal hintereinander unsere Zusammenkünfte geschwänzt hatten.
Allerdings gab es auch eine Ehrenmitgliedschaft für Leute, die nicht regelmäßig an Treffen und Partys teilnehmen konnten – in der Regel deshalb, weil sie beim Militär waren. Ehrenmitglieder durften unsere Abzeichen tragen und mit uns fahren, wenn sie nach Hause kamen. Paul, ein Freund von der Highschool, war der erste Angel ehrenhalber.
Diese Ehrenmitgliedschaft war kein geringes Zugeständnis, da unsere Abzeichen gewisse militärische, nationalistische und spirituelle Bezüge hatten, ähnlich wie das deutsche Eiserne Kreuz, das manche trugen. Für zehn Dollar bekamen Neuzugänge einen rot-weißen Aufnäher, der in ganz Kalifornien der exklusivste war. Er stellte einen menschlichen Schädel dar, der breit und spöttisch grinste und einen alten, ledernen Fliegerhelm sowie Flügel anstelle von Ohren trug.
Die ersten Aufnäher waren nur 15 Zentimeter breit, doch ab etwa 1960 gab es eine kühnere Version, die quer über den Rücken reichte. Die Worte »Hells Angels« formten einen Bogen über
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