Böser Engel
wenn sie den Geist aufgab. Ein andermal nahmen wir zwei Frauen mit in die waldigen Parks und veranstalten eine Orgie mit ihnen. Einmal erspähte ich Sonny, als seine Hose sich an den Stiefeln bauschte und er mit weißem Hintern einer Nymphe nachhüpfte. Seitdem nannte ich ihn »Sunny Bunny«.
Und meine Zeit sollte schon bald kommen. Swede ließ sich nicht mehr so oft blicken und wurde abgesetzt. Zum zweiten Mal schlug Sonny mich mit blumigen Worten als Vize vor und nannte mich einen aufrechten, kampfeslustigen und beispielhaften Hells Angel. Die Mitglieder stimmten ihm zu, und das viereckige, rot-weiße »Vice-Pres.«-Abzeichen wurde an meine Kutte genäht.
Das verschaffte mir größeres Prestige. Es war leichter, eine willige Frau auf meinen Heckkotflügel zu bekommen, und wenn die Cops mich anhielten und mir einen Strafzettel ausstellten, waren sie ganz aufgeregt und sagten: »He, diesmal haben wir ein hohes Tier erwischt.« Ein Nachteil bestand jedoch darin, dass ich nun auf der Schikanierliste der Polizei weit oben stand. Als ich eines Tages auf der East 14th Street ins nahegelegene Hayward fuhr, stoppten die Cops mich 22 Mal, und einige Zeit später wurde ich wegen zu hoher Geschwindigkeit festgenommen, obwohl ich ganz brav vierzig Kilometer in der Stunde gefahren war.
Alle führenden Angels mit Ausnahme von Sonny wogen über 90 Kilo, aber Führung bedeutete nicht rohe Kraft. Es kam darauf an, Leute zusammenzubringen, mit denen man sich anfreundete, oder sich bei Bedarf gewaltsam durchzusetzen. Alle Führungspositionen waren von meinen engsten Freunden besetzt: Sonny war Präsident, Jerry Schatzmeister, Junior Sekretär und Waldo Sergeant at Arms, also zuständig für die Clubdisziplin.
Von mir als Nummer zwei wurde Führung durch gutes Beispiel erwartet; das heißt, ich musste aktiver sein als der Durchschnitt. Ich half Tanzveranstaltungen, Partys und andere Veranstaltungen des Clubs zu organisieren und dafür Werbung zu machen. Wenn Sonny nicht anwesend war, leitete ich unsere Versammlungen, und manchmal repräsentierte ich den Club bei Bikertreffen oder begleitete und unterstützte den Präsidenten bei offiziellen Anlässen.
Anfang 1960 düsten Ralph und ich über die Bay Bridge zum Haus des Frisco-Präsidenten Frank Sadilek 4 . Führende Hells Angels aus ganz Kalifornien, auch aus dem Süden, lümmelten im Zimmer herum und tranken Rotwein aus Vier-Liter-Krügen. Ebenfalls zugegen waren Vertreter der Gypsy Jokers, Road Rats, Galloping Gooses, Satans’s Slaves, Presidents (eines Clubs aus North Beach) und Mofos (die Mofos – das Wort ist eine Kurzform für »Motherfuckers« – waren ein ausgeflippter Haufen und sahen eher wie Saufbrüder aus als wie Biker).
Es war eine historische Versammlung, eine Art Jalta-Konferenz. Clubs, die sich jahrelang mit Kettenpeitschen Revierkämpfe geliefert hatten, debattierten über ein gemeinsames Problem: Polizeischikanen. Wir fühlten uns belästigt, weil die Cops uns in unseren Stammlokalen aufscheuchten und auf der Straße »routinemäßig« anhielten. Die Polizei machte anscheinend auf jeden Jagd, der auf zwei Rädern fuhr, und lud ihn schon wegen kleiner Ordnungswidrigkeiten vor, zum Beispiel wegen eines fehlenden Spiegels oder wegen einer zu hohen Lenkstange. Ich war ein typisches Beispiel: Im Jahr zuvor hatte ich für Strafzettel über tausend Dollar bezahlt.
»Wir müssen aufhören, einander zu bekämpfen, und anfangen, gegen die Cops zu kämpfen«, sagten wir uns, während der Krug die Runde machte. Alle berichteten von übereifrigen Polizisten und regelrechten Fallen, und wir ließen eine feindselige Erklärung der American Motorcycle Association herumgehen. Um zwischen ihren Mitgliedern und uns Abtrünnigen zu unterscheiden, bezeichnete die AMA 99 Prozent der Motorradfahrer im Land als anständige Bürger, die sauberen Sport genießen wollten. Das restliche Prozent bestand angeblich aus asozialen Barbaren, die auch auf Pferden oder Surfbrettern zum Abschaum gehören würden.
Anstatt beleidigt zu sein, beschlossen wir Angels und unsere Freunde, diese lobenden Worte zu unserem Vorteil zu nutzen und künftig ein Abzeichen mit den Worten one percenter (Einprozenter) zu tragen. Es sollte unsere anderen Aufnäher ergänzen und seinen Träger als echten Outlaw identifizieren. Außerdem konnte dieses Abzeichen sinnlose Kämpfe zwischen verschiedenen Clubs verhindern helfen, denn es würde Angels, Mofos und alle anderen Einprozenter gegen den gemeinsamen Feind
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