Böser Engel
unserer bisherigen Wohnung entfernt. Mein Schwager wohnte gleich auf der Rückseite desselben Wohnblocks. Ich schloss eine Lebensversicherung im Wert von 3000 Dollar ab und kaufte rechtzeitig Möbel. Wir aßen besser und sparten sogar ein paar Dollar.
Da ich mich anscheinend besser benahm, luden Helens Tante Pearl und ihr Onkel Adam uns für ein Wochenende ein. Ihre fast dreißig Hektar große Ranch war ebenso friedlich wie die überwucherten Ufer des Flusses St. Helena und lag mitten im Weinbaugebiet Nordkaliforniens. Gleich hinter dem Haus befand sich ein Abhang, bewachsen mit welkem Gras. An seinem Fuß beschatteten dicke Eichen den Fluss und trugen ein kühles Baumhaus, wo kaltes, selbst gebrautes Bier und mein Likörwein gelagert wurden. Von dort aus hatte Adam freies Schussfeld auf Rehe und Hasen, die der Gemüsegarten anlockte. Alle wurden ein wenig beschwipst und träge, während wir das Wasser beobachteten, das in die nahegelegenen Forellenteiche floss.
Ein Wochenende folgte dem anderen, und ich lernte die Familie meiner Frau verstehen und schätzen. Die Leute hatten ein großes Herz und wussten, was Spaß machte. Charley wurde beinahe erschossen, als er am Müllplatz Rehen auflauerte. Adam löste einen Feueralarm aus, als er versuchte, die Klapperschlangen im Beerenbeet auszuräuchern. Die angeheiterte Pearl jagte mich um den bauchigen Ofen und flirtete mit mir, dicht gefolgt von Helens Mutter, die sie aufhalten wollte.
Sie waren so verrückt, dass wir andauernd lachten und dieses friedliche Landleben zu lieben begannen. »Wäre es nicht nett, wenn wir auch so etwas hätten?«, fragte Helen, als wir über die Hügel wanderten. Ich nickte, und wir malten uns aus, wie unser Haus und unser Land eines Tages aussehen würden.
Als das Baby ein wenig gehen konnte, beschloss Helen, etwas Geld für unseren Traum zu verdienen. Sie fand einen Job in der Versandabteilung eines Kaufhauses, aber die Arbeit gefiel ihr nicht. Nach zwei Monaten bemängelte ihr Chef ihr Arbeitstempo, und sie war davon überzeugt, dass man sie bald entlassen würde. Also kündigte sie unter dem Vorwand, sie sei wieder schwanger. Als ihre Kollegen eine Abschiedsfeier für sie gaben und sie mit Geschenken für »das Baby« überhäuften, hatte sie ein schlechtes Gewissen.
Doch wie der Zufall es wollte, wurde sie kurze Zeit später tatsächlich schwanger und gebar Ende 1962 unseren Sohn. Weil wir jetzt mehr Platz brauchten, zogen wir in ein altes Haus in der Taylor Street, nicht weit vom Knowland Park und vom Zoo entfernt. Die meisten Einwohner dort waren Weiße, die der Mittelschicht angehörten. Ein umzäunter Garten mit einer großen Kiefer überzeugte uns davon, dass das Haus hundert Dollar im Monat wert war. Für die Kinder war es ideal.
Mittlerweile ging es unseren Freunden Betsy und Jerry nicht mehr so gut. Nachdem ich den Club verlassen hatte, begann Jerry, mit ledigen Bikern herumzuziehen, die ständig Partys feierten und schliefen, wo immer sie landeten. Zu Hause und an seinem Arbeitsplatz erschien er nur selten; darum wurde er entlassen. Er trieb sich herum und mischte Alkohol mit Hustensaft. Eines Tages hatte Betsy die Nase voll und trennte sich von ihm.
Am 4. April 1961, kurz nach der Geburt seiner Tochter – er sprach davon, sich mit seiner Frau zu versöhnen –, veranstaltete Jerry ein Wettrennen mit einem Güterzug zur Kreuzung an der 29th Avenue und verlor. Sein Motorrad prallte auf den zweiten Waggon. Er war betrunken. Zwanzig Minuten später starb er mit zerquetschtem Brustkorb. Jerry war 21 Jahre alt. 7
Der Angel, der im Rettungshubschrauber starb, war längst nicht mehr der Freund, der mit mir gefahren war und mit mir gezecht hatte. Deshalb ging ich nicht zur Beerdigung. Aber wir halfen Betsy, nach Jerrys Tod wieder auf die Beine zu kommen, und unterstützten sie, als eine ihrer Töchter wenige Monate später versehentlich Gift schluckte. Wir spielten Amor und arrangierten für sie Verabredungen mit Paul, dem Ehren-Angel, der bei der Küstenwache arbeitete.
Die grobknochige und extravagante Betsy und Paul, ein stämmiger, wortkarger Mechaniker – ein wahrer Zauberer in seinem Fach – heirateten und wurden unsere engsten Freunde. In den folgenden Jahren fuhren wir an den Clear Lake, um zu picknicken und Kanu zu fahren, und rodelten in der High Sierra. Ab und zu besuchten wir zusammen Partys der Hells Angels, aber mit deren Lebensstil hatten wir nichts mehr am Hut.
Dennoch behielten Paul und ich den Club dank
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