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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Wethern
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anderen schleuderten. »Keine Angst, Pater«, überschrie ich die quietschenden Reifen. »Wir sind bald da.« Wir kamen tatsächlich heil an, und der Priester vollzog eine Nottaufe. Nach einer Woche im Beatmungsgerät hatte das Baby das Schlimmste überstanden.
    Das Kind stärkte unsere Familienbande. Ich kam zeitig von der Arbeit nach Hause und überschüttete unsere Tochter mit Liebe, ging aber Windeln und Fläschchen aus dem Weg. Helen war glücklich und dachte, ich sei endlich solide geworden.
    Doch ein paar Wochen später wurde sie von dem weinenden Baby geweckt und stellte fest, dass ich wieder fort war. Sie war erneut allein – ein Teenager mit vollen, zarten Brüsten und einem kranken Baby, und ihr Ehemann ging auf eine Party, wahrscheinlich mit einer anderen Frau.
    Nach vier Nächten kam ich heim, und sie schimpfte mich aus. »Nichtsnutz! Blödmann! Mit wem warst du zusammen?«, zischte sie, als ich mich ihr näherte. Zuerst spielte ich den Unschuldigen, dann reizte ich sie scherzhaft mit Judy, ihrer alten Rivalin. Von da an drehte sie sich weg, wann immer ich versuchte, sie zu verführen.
    Wegen meiner Untreue wandte sich Helens Familie abermals von mir ab. Helen begann, jeden Tag ihre Mutter zu besuchen und zu klagen: »George ist nie zu Hause. Ich weiß nicht, was ich tun soll.« Eines Nachts wartete ihr rachsüchtiger Vater mehrere Stunden vor unserer Wohnung, aber ich tauchte nicht auf. Ein andermal drehte er durch, als ich Helen halb verspielt in den Hintern trat, weil ich nach einem Familienessen rasch nach Hause wollte. »Niemand tritt meine Tochter!«, brüllte Charley und stürmte mit rudernden Armen auf mich los.
    Ich goss weiteres Öl ins Feuer, indem ich Helens Verwandte als »doofe Oakies« bezeichnete, wann immer sie sich in unsere Angelegenheiten einmischten.
    Unsere Familien trafen sich zum ersten Mal auf einer Party, die meine Mutter für unsere Tochter Donna gab. Zufällig ist dieses Fest auch zu einer Abschiedsfeier für meine Mutter geworden, die bald danach an Krebs starb.
    Als der Kuchen angeschnitten wurde und der Alkohol floss, machte ich mir wirklich Sorgen darüber, welchen Eindruck meine angeheirateten Verwandten auf meine Familie machen würden. Aber alle mischten sich untereinander. Charley humpelte umher und war umgänglich, und seine Frau verstand sich gut mit meiner Mutter. Die beiden hatten etwas gemeinsam: einen trinkfreudigen Ehemann.
    Die Ärzte gaben meiner Mutter nach einer misslungenen Magenoperation nur noch Monate zu leben. Sie weigerte sich, ins Krankenhaus zu gehen, weil sie fürchtete, die Familie finanziell zu ruinieren. Also blieb sie zu Hause und ließ sich von meiner Schwester versorgen, die an der University of California eine Ausbildung als Krankenschwester machte. Meine Mutter war tapfer. »Macht euch keine Sorgen um mich«, sagte sie. »Akzeptiert es einfach so wie ich. Ich werde sterben.« Wir sahen sie nur ein einziges Mal weinen: als sie darüber nachdachte, was aus meinem drei Jahre alten Bruder werden sollte. Zwei Wochen, nachdem sie sich einen Sarg ausgesucht hatte, starb sie.
    Der Tod stürzte die Familie ins Chaos, ernüchterte jedoch meinen Vater, der jetzt drei kleine Jungen, darunter ein Kleinkind, allein aufziehen musste. Er stellte eine schwarze Hausangestellte ein und heiratete später erneut.
    Der Tod meiner Mutter erfüllte mich mit Reue und änderte meine Prioritäten. Ich weinte auf dem Begräbnisgottesdienst und war wochenlang niedergeschlagen. Der Motorradclub verlor seinen Reiz. Die immer gleichen Treffen und Ausfahrten wurden langweilig, Motorräder kamen ohnehin aus der Mode, und konservative Kleidung war wieder gefragt. So verlor der Club an Beliebtheit, und es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, bis die Mitglieder ausbleiben würden.
    Außerdem reichten die 49 Dollar, die ich in der Woche verdiente, nicht mehr für Gebühren, Alkohol, Motorradreparaturen, Benzin und Geldbußen in Höhe von mehr als tausend Dollar im Jahr. Ich hörte auf, nächtelang Karten zu spielen – auf diese Weise hatte ich mir Geld für die Miete beschafft, nachdem ich meinen Lohn für Clubaktivitäten ausgegeben hatte –, und nach der Arbeit zog ich es vor, zu Hause bei Helen und dem Baby zu sein, anstatt jeden Abend dieselben schäbigen Kneipen und Frauen zu besuchen. Einige Angels, vor allem Sonny und Jerry, versuchten mich zu halten, aber eines Tages gab ich meine Abzeichen zurück.
    Wir zogen in ein dreistöckiges Apartment zwei Straßen von

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