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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Wethern
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unüberwindlich zu sein.
    Als die Pranksters einige Männer auf LSD- und DMT 11 -Trips mitnahmen, wanderte ich durch die Gebäude. Die größte Hütte war mit Soundmaschinen, Kameras und anderen Apparaten der Kesey-Medienfreaks vollgestopft. Außerdem gab es Baumhäuser, einen Wigwam und eine Höhle, die Hermit gehörte, einem barbrüstigen, wilden Knaben, der angeblich Rehe jagte und sie mit seinem Messer tötete. In der Höhle, die in einen Kanalgang eingegraben war, galten strikte Regeln: Wenn der grün-rosafarbene Golfball in der Blechdose am Eingang lag, durfte ihn jeder herausnehmen und eintreten, um beim Sex oder bei Halluzinationen ungestört zu bleiben. Eine leere Dose bedeutete, dass die Höhle besetzt war.
    Das übrige Gelände war unbebaut. Einige Angels waren begeistert davon. Sie durchstöberten den Wald wie Kinder, bedienten sich an einem Drogenbuffet und sammelten irre Ideen aus Büchern und aus den Köpfen dieser Außerirdischen. »Verdammt schön ist es hier«, sagte ein Typ verzückt.
    Die Clubmitglieder wiederum ließen die Hipster ihre Bike-Erotika befummeln und reichten Ketten, Hakenkreuzohrringe, Medaillons und verchromte Nazihelme herum. »Geil!«, riefen die Pranksters. Alles war ganz unkompliziert: Hintern im Waldboden, Rücken an Bäumen und Hütten, Köpfe in den Wolken. Manche Angels waren völlig weggetreten, doch die meisten ließen sich von den Hippies bewirten, die wie Hofnarren herumhüpften und -flitzten. Diese Leichtgewichte genossen die Gesellschaft von Schwergewichten, und die Biker lehnten sich zufrieden zurück und nahmen, was man ihnen anbot. In dieser Anarchie gab es keinen Druck, niemand regte sich auf, und es gab keine starren Grenzen. Die Angels plauderten und scherzten und nahmen so viel, wie sie gaben, ganz unbekümmert.
    Als es dämmerte, schloss ich mich den Naturfreaks an. Hermit gab mir Flusskrebsfleisch, und ich reichte Ginsberg etwas Lakritze. »Heute Nacht wirst du fliegen«, sagte er, aber ich hielt mich von seinen flatternden Gewändern und dem verzückten Blick fern. Ich habe diese Gurus aus der Kaffeehausszene von San Francisco und Berkeley nie gemocht. Mountain Girl war eher nach meinem Geschmack. Sie war eine barfüßige Nymphe mit Sonnenschein im Lächeln. Ich hätte gerne ein wenig mit ihr geschmust, aber sie bot mir LSD an. Ich lehnte ab, weil ich von Gras, Aufputschmitteln und Alkohol ohnehin schon benebelt war.
    Bald wurde die Szenerie noch verrückter. Ehemaliger Angel oder nicht, ich war ein ziemlich normaler Bauarbeiter unter Fremden, die fremde Drogen nahmen. Das machte mich nervös. Ihr Verhalten war die eine Sache, doch ihr Geschwätz von Liebe und Frieden, vom universellen Dies-und-Das kam mir so tiefgründig vor wie ein aufgewärmter Furz.
    Im Hauptgebäude jaulte eine Bob-Dylan-Platte »Baby Blue«, aber es klang wie »Baby Huey«, und ich spürte einen Anflug berechtigter Entrüstung, als irgendein Typ eine abfällige Bemerkung über den Club machte. Also half ich John T. »Terry the Tramp« Tracey und ein paar anderen Mitgliedern, den Sünder auf einen Stuhl zu hieven und ihm eine Schlinge um den Hals zu legen. Wir warfen das Seil über einen Ast, stießen Drohungen aus und traten abwechselnd nach dem Stuhl. Nachdem er einmal ins Wanken geraten war, hoben wir den Kerl auf einen Tisch, wo er eine fairere Chance hatte, aber auch tiefer stürzen konnte. Tramp, der in seinem Haar- und Bartdschungel eine Blindenbrille trug, langweilte sich so, dass er eine Spinne auflas und sie aß. Das hielt ich nicht mehr aus und ging ins Freie.
    Inzwischen brannten überall Lagerfeuer. Das Licht flackerte durch Äste, an denen Mobiles, Müll und Bilder hingen. Während eine Handvoll Mitglieder mit Frauen rummachte, saß ich bei den anderen, wärmte mir die Hände und schaute einigen Paaren beim Tanzen zu. Dann roch ich den Gestank verbrannter Haare: Hermit hatte das Hauptgericht direkt in die Flammen geworfen. Die Augen des Opossums wurden weiß und traten hervor, sein Fell wurde bis zum rattenartigen Schwanz versengt. So unappetitlich das auch sein mochte, die Angels und die Pranksters – soweit sie nicht Vegetarier waren – rissen das dampfende Fleisch heraus und verschlangen es. Dabei schauten sie einander an, leckten sich die Finger und grinsten.
    Nachdem ich Essen und LSD abgelehnt hatte, legte ich mich auf einem Felsbrocken zur Ruhe. Als ich die Augen wieder öffnete schien die Sonne, und ich sah Keseys Frau und ein Kind nackt zum Bach tapsen.

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