Böser Mann - Provinzkrimi
Joghurt, Nutella und Kiwi reichte ein Angebot, das sich für Lugingers Geschmack auf Schokolode, Erdbeere, Vanille und Banane hätte beschränken können. Zu viel war zu viel. Und wozu all die hippen Kreationen taugen sollten, war ihm schleierhaf. Je größer die Auswahl, desto schwieriger die Entscheidung und desto höher die Wahrscheinlichkeit, das Falsche in der Waffel zu haben.
Vor ihm standen halbwüchsige Mädels und starrten auf das Display eines Handys. Ein Vater suchte nach Kleingeld. Kinder pufften sich in die Rippen, und ein älteres Paar freute sich über einen frei gewordenen Tisch neben halb verblühten Rosensträuchern. Als Luginger einen riesigen Jungen beobachtete, der seine winzige Freundin küsste, entdeckte er den alten Gmeiner, der mit seiner Frau in der Sonne saß und Sahne löffelte.
»Drei Kugeln, Schokolade, Banane, Erdbeere, bitte«, sagte er, als er an der Reihe war.
»Waffel oder Becher?«, kam es zurück
»Waffel natürlich, einen Becher kann ich ja nicht essen.«
Mit seinem Eis in der Hand steuerte Luginger auf Gmeiners Tisch zu.
»Servus, Peter, grüß dich, Maria.«
Die Gmeiners lächelten freundlich, obwohl Luginger spürte, dass ihnen ganz anders zumute war. Man kannte sich seit eh und je. Früher war Peter Gmeiner ein hervorragender Tennisspieler gewesen. 1975 wurde er sogar bayerischer Meister. Später hatte er für viele Jahre den Vorsitz des Sportvereins übernommen, ehe er mit einer kleinen Gruppe von Investoren seine eigene Tennisanlage gebaut hatte.
»Tut uns leid, Franz, siehst ja, wir können dir keinen Stuhl anbieten«, sagte Peter Gmeiner.
»Bananensplit«, bemerkte Luginger. »Ihr seid wie ich. Was vor 30 Jahren gut war, ist heute auch noch gut.«
»Früher hieß jedes Eiscafé Dolomiti, weißt das noch?«, fragte Gmeiners Frau.
Luginger nickte. »Und die Kugel hat 20 Pfennig gekostet.«
Gmeiner leckte freudlos seinen Löffel ab.
Dann fragte Luginger: »Seid ihr nachher auf der Anlage?«
»Magst mal vorbeischauen?«, antwortete Gmeiner. »Kannst gerne kommen. Wir gehen gleich zurück.«
Luginger nickte. »Bis später dann.«
Barbara konnte ihn nicht sehen, als er vom Zaun aus zuschaute, wie sie mit kraftvollen Vorhandschlägen ihre Gegnerin unter Druck setzte. Mit dem Rücken zu ihm stand sie an der Grundlinie und schlug vier, fünf Bälle abwechselnd nach rechts und links, ehe ihr ein Fehler unterlief und der Ball an der Netzkante hängen blieb. Obwohl sie sich nichts anmerken ließ, wusste Luginger, was in ihr vorging. Sie kochte. Im Vorteil zu sein und dann den Punkt nicht zu machen, das war Höchststrafe.
Halt die Barbara fest und pass auf, dass sie nicht wegläuft, hatte Faulhuber vor ein paar Tagen noch zu ihm gesagt. Kümmer dich mehr. Die Frau tut dir gut. Wenn du nichts machst, stehst du bald wieder allein da.
»Doppelfehler«, sagte Luginger leise zu sich selbst. Sie will zu viel. Mit dem Kopf durch die Wand, immer volles Risiko. Geduld war für Barbara ein Fremdwort. Lieber machte sie selbst den Fehler, als darauf zu warten, dass andere ihn machten.
»Willst sie nicht mal zum Altar führen?«, fragte Peter Gmeiner, der plötzlich neben ihm stand.
Luginger sah dem alten Mann direkt ins Gesicht. »Dir geht’s dreckig, was?«
»Die Schmerzmittel sind nicht gut für meine Nieren, Franz, und der Tod vom Fischer ist schrecklich.«
»Ich weiß schon Bescheid. Die Polizei glaubt nicht an einen Unfall. Der Fischer sollte ja auch dein Nachfolger werden.«
»Stell dir vor, bei uns in Leuterding wird jemand absichtlich über den Haufen gefahren, nur weil er irgendwelchen Großkopferten im Weg ist. Kann’s denn so was geben?«
»Übertreibst da nicht a bisserl, Peter? Vielleicht gibt’s ganz andere Gründe?«
Entschlossen packte Gmeiner Lugingers Unterarm. »Das war Mord. Da geht’s um Geld, um viel Geld, Franz, und der Fischer hat was gewusst, was andere nicht gewusst haben.«
Luginger sah Gmeiners schlecht rasierten Hals. Er sah schlaffe, feckige Haut. Und er sah Tränen, die der alte Mann nicht zurückhalten konnte.
»Mein ganzes Leben hab ich hier gelebt, Franz, 74 Jahre lang. Hier ist doch nie einer umgebracht worden, oder? Erinnerst dich, gibt’s irgendeinen Fall, an den dich erinnerst? Und jetzt ist die Fischer Witwe und ihr Bub Waise. Eine Schande ist das, Franz, eine Schande.«
Gmeiner zitterte am ganzen Körper.
»Komm, Peter, setzen wir uns an einen ruhigen Tisch. Ich könnt ein Haferl Kaffee vertragen. Und dann
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