Böser Mann - Provinzkrimi
erzählst mir mal die Geschichte mit der Bürgerinitiative. Ich hab das ja nur am Rand mitgekriegt, du weißt, Politik interessiert mich überhaupt nicht.«
Eine Stunde später spielte Barbara noch immer. Mittlerweile hatte sie eine Mütze auf, um nicht direkt in die Sonne schauen zu müssen. Obwohl sie Luginger wohl erkannt hatte, beachtete sie ihn nicht. Nach einer völlig verunglückten Rückhand von ihr fiel der Ball knapp über die Netzkante ins gegnerische Feld, von wo er unerreichbar ins Aus sprang.
Luginger rauchte und ging zu den Plätzen eins und zwei, die im Schatten lagen und auf denen rüstige Rentner Doppel spielten. Was ihm der alte Gmeiner gerade erzählt hatte, war so aufregend auch nicht gewesen. Nur die Dimensionen hatten ihn überrascht. Um die 100 000 Quadratmeter neues Bauland, das war schon was. Da konnten viele neue Häuser entstehen mit all den Vor- und Nachteilen, die ihm jetzt klarer waren als vorher. Mehr Einwohner, Geld und Autos, weniger Erholungswerte und Ruhe. Die Verkehrslage im Ort würde sich zuspitzen. Keine Parkmöglichkeiten, zu wenige und zu enge Straßen, steigende Unfallgefahr, ganz zu schweigen von den Abgasen und dem Benzingestank in einer Gemeinde, die sich auf ihr Umweltbewusstsein so viel einbildete. Die Geschäfsleute waren dafür. Sie würden profitieren, ganz klar. Die Anwohner, die nicht nur ihr Waldstück vor der Haustür verlieren würden, sondern auch den Baulärm ertragen müssten, waren dagegen, auch ganz klar. Alteingesessene Leuterdinger waren eher dagegen, viele Zugereiste eher dafür. Die CSU würde sich möglicherweise dem Druck der Basis beugen und mit den Grünen zusammengehen, die Sozis stünden dann allein da, weil die paar Freien Wähler viel zu schwach waren.
Luginger hatte sich hingesetzt, um besser nachdenken zu können, und spürte, wie seine Jeans an den Oberschenkeln klebten. Er hasste Plastikstühle. Mit einem Auge verfolgte er
die Rentner-Ballwechsel, mit dem anderen fixierte er Ameisen, die auf seinen Schuhen herumturnten.
Von Carsten Fischers Geheimwissen hatte Gmeiner nichts erzählt. Nur dass da was im Busch war, dass der Fischer Verbindungen zwischen Gemeinderat und Investoren zu kennen glaubte, dass es Kontakte zu Milieus gab, die alles andere als sauber waren. Der Fischer hatte sich jedenfalls unglaublich reingehängt, und bis auf einige wenige hätten ihn wohl die meisten zum neuen BI-Vorsitzenden gewählt. Gmeiner selbst ging in drei Wochen ins Krankenhaus, bei den Schmerzen musste schleunigst eine neue Hüfe her, und außerdem fühlte er sich auch schon zu alt für die Protestiererei.
Kennst du die Brettschneider Karin?, hatte Gmeiner gefragt. Und ihre Freundin, die Meidenbauer? Luginger hatte genickt und gewusst, was kommen würde. Feministinnen, Franz, so sagt man doch, oder? Wie heißt die noch mal, die andere, die alte Kuh, die öfer im Fernsehen ist? Frau Schwarzer meinst du, hatte Luginger ruhig geantwortet. Stimmt, Schwarzer oder Schweizer oder so ähnlich. So, und die beiden Schachteln, die Brettschneider und die Meidenbauer, die wollen eine Frau an der Spitze der BI, die anderen stehen zu Fischer. Und wegen der Weiber wird’s Krach geben.
Kein Wort über Sammy und seine Affäre mit Frau Fischer. Für Gmeiner schien der naheliegende Verdacht der Kommissarin überhaupt nicht zu existieren. Was er denn über diese Clara Weibel wisse, hatte Luginger zum Schluss noch gefragt. Nicht viel, hatte Gmeiner geantwortet. Die kommt aus München und hat sich nach Erding versetzen lassen. Will wohl in Ruhe auf ihre Pensionierung warten. Gestern war sie hier und hat Fragen gestellt. Das Übliche, Franz: Feinde, Querelen, Stänkereien.
Gut hab ich den Fischer ja nicht gekannt, ich meine, vor der Gründung unserer Bürgerinitiative hab ich gar nicht gewusst, dass der hier lebt.
»Tag, mein Lieber«, grüßte Barbara. »Schön, dass es dich auch noch gibt.« Mit einem Handtuch über der Schulter und ihrer Tennistasche in der Hand stand sie neben seinem Stuhl und lächelte.
»Hast gewonnen?«, fragte Luginger.
»7:5, 6:3. War ein hartes Stück Arbeit.«
»Soll ich dir einen Stuhl holen?«
»Darf ich dir einen Stuhl holen, Franz. Dürfen, nicht sollen! Nein, lass mal, ich fahre gleich heim. Meinem Bruder habe ich versprochen, gegen fünf im Fitnessstudio zu sein. Der möchte dann noch mit den Kindern raus und das schöne Wetter genießen. «
»Kommst mal wieder vorbei?«
Barbara lächelte zufrieden. »Gerne. Aber nur, wenn wir was
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