Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
Auto ergeben?«, fragte Pia Kai, während Krögers Gespräch zu einer längeren Diskussion auszuarten schien.
»Leider auch eine Sackgasse.« Kai nahm einen Schluck Kaffee. Er war ein Koffeinjunkie, trank von morgens bis abends rabenschwarzen Kaffee, es störte ihn nicht einmal, wenn er kalt war. »Das Auto ist zwar auf Prinzler zugelassen, aber unter Muttis Adresse. Wir können ihm höchstens Ärger machen, weil er sich nicht fristgerecht umgemeldet hat.«
Pia stieß einen Seufzer aus. Dieser Fall war wirklich vertrackt. Meike Herzmann meldete sich nicht. Der Haupttatverdächtige war flüchtig, der zweite Verdächtige lieferte ein Paradebeispiel dafür, wie leicht es in Deutschland doch war, sich hinter Postfächern und falschen Adressen zu verstecken. Niemand schien zu wissen, woran Hanna Herzmann gearbeitet hatte, und die Telekom ließ sich Zeit mit den Einzelverbindungsnachweisen für Hannas Handy.
»Da bin ich wieder.« Kröger klang genervt. »Ich kann es so was von hassen , wenn sich Staatsanwälte in meine Arbeit einmischen.«
»Ein Staatsanwalt kommt zur Durchsuchung eines Wohnwagens?«
»Oberstaatsanwalt Frey höchstpersönlich.« Kröger schnaubte.
Sie sprachen noch kurz, dann bekam Pia ein weiteres Gespräch. In der Hoffnung, dass es Meike Herzmann sein könnte, nahm sie es an, obwohl ihr die Nummer nichts sagte.
»Pia? Ich bin’s, Emma. Stör ich dich gerade?«
Pia brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, wer dran war. Die Stimme der alten Schulfreundin klang zittrig, beinahe so, als ob sie weinen würde.
»Hallo, Emma«, sagte Pia. »Nein, du störst nicht. Was gibt’s?«
»Ich … ich … muss mit jemandem reden«, antwortete Emma. »Ich dachte mir, du weißt vielleicht Rat oder kennst jemanden. Louisa, meine Tochter, musste ins Krankenhaus. Und da … die Ärztin … ach, ich weiß gar nicht, wie ich das sagen soll.«
Sie schluchzte auf.
»Louisa … sie … sie hat Verletzungen, die darauf hinweisen könnten, dass sie … sexuell missbraucht wurde.«
»Oh Gott.«
»Pia, meinst du, wir könnten uns ganz bald mal treffen?«
»Ja, natürlich. Wie sieht es bei dir jetzt gleich aus?« Pia schaute auf ihre Uhr. Kurz vor eins. »Kennst du den Gimbacher Hof zwischen Kelkheim und Fischbach?«
»Ja, klar. Den kenne ich.«
»Ich könnte in zwanzig Minuten dort sein. Da trinken wir einen Kaffee, und du erzählst mir alles. Okay?«
»Ja, okay. Danke. Bis gleich.«
»Bis gleich.« Pia steckte das Telefon ein, stand auf und warf sich den Rucksack über die Schulter. »Stell dir vor, Kai, Oberstaatsanwalt Frey war eben bei der Durchsuchung von Rothemunds Wohnwagen.«
»Wundert mich nicht«, entgegnete Kai, ohne von seinem Bildschirm aufzublicken. »Frey hat Rothemund seinerzeit in den Knast gebracht.«
»Ach? Woher weißt du denn das schon wieder?«
»Ich lese Akten.« Kai hob den Kopf und grinste. »Außerdem war ich damals noch in Frankfurt. Das war kurz nachdem ich mit meinem Holzbein wieder arbeiten konnte. Es war eine spektakuläre Sache. Der tiefe Fall des schönen Doktor Rothemund. Die Presse hat das Ding damals richtig aufgeblasen: Frey und Rothemund waren Kommilitonen und Freunde, sie fingen beide nach dem zweiten Staatsexamen bei der Staatsanwaltschaft an, bevor Rothemund die Seiten wechselte und Anwalt wurde. Frey hätte die ganze Sache diskreter handhaben können, aber er hat seinen alten Kumpel auf einer Pressekonferenz so richtig hingehängt. Ich wundere mich, dass du nichts davon mitbekommen hast.«
»Ich war zu der Zeit auf dem Hausfrauengleis abgestellt und hab meine Freizeit vorwiegend im Keller der Rechtsmedizin verbracht«, erinnerte Pia ihn. »Na ja. Ich fahr schnell was essen. Ruf mich an, wenn was sein sollte.«
*
Hitze und Durst waren unerträglich. War das schon eine Halluzination, ein Streich, den ihr austrocknendes Gehirn ihr spielte? Leonie wohnte seit Jahren in dem Haus, das fast zweihundert Jahre alt war und dicke Wände hatte, die besser isolierten als jede moderne Styroporplatte, die die Leute heutzutage auf ihre Hauswände klebten. Sie schätzte es gerade deshalb, weil es im Winter warm blieb und im Sommer kühl. Wieso war es jetzt so heiß hier drin? Der Schweiß rann ihr in die Augen und brannte wie Feuer. Sie hatte zweimal bis dreitausendsechshundert gezählt, damit sie das Gefühl für die Zeit in der Dunkelheit nicht verlor und nicht verrückt wurde. Um Viertel vor vier in der Nacht war sie nach Hause gekommen, zwischendurch hatte sie eine
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