Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
gehörte zum Job als Kripobeamtin, unwillkommen zu sein, und es störte sie schon längst nicht mehr.
»Ich habe nur ein paar Fragen an Ihre Frau«, entgegnete Pia unbeeindruckt. »Ich bin gleich wieder weg.«
»Warum können Sie meine Frau nicht damit in Ruhe lassen?«, zischte er. »Sie hat weiß Gott genug durchgemacht wegen diesem Schwein und muss nicht dauernd an ihn erinnert werden. Gehen Sie. Kommen Sie morgen wieder.«
Pia musterte den Mann, und er erwiderte ihren Blick mit unverhohlener Abneigung. Richard Hackspiel war rein äußerlich das komplette Gegenteil von Kilian Rothemund: groß, schwammig, knollennasig, mit dem roten Gesicht und den wässrigen Augen eines Trinkers. Er hatte etwas Überhebliches an sich, und zu gerne hätte sie ihn gefragt, ob es ihn nicht störte, in dem Haus zu wohnen, in dem vorher dieses Schwein gewohnt hatte.
»Ich bin keine Staubsaugervertreterin«, sagte Pia liebenswürdig und lächelte, weil sie wusste, dass sie den Mann damit zur Weißglut brachte. »Entweder, Sie holen jetzt Ihre Frau, oder ich lasse sie von einer Streife zu einem Gespräch auf dem Kommissariat abholen. Wie es Ihnen lieber ist.«
Es war eigentlich nicht ihre Art, so den Bullen herauszukehren, aber manche Leute verstanden keine andere Sprache. Hackspiel verschwand mit zusammengepressten Lippen und kehrte tatsächlich wenig später mit seiner Frau zurück.
»Um was geht es noch?«, fragte sie kühl, die Arme vor der Brust verschränkt. Sie machte keine Anstalten, Pia ins Haus zu bitten.
»Um Ihren geschiedenen Mann.« Pia hatte keine Lust, um den heißen Brei herumzureden. »Trauen Sie ihm zu, eine Frau bis zur Unkenntlichkeit zusammenzuschlagen, zu foltern und nackt in den Kofferraum eines Autos zu sperren?«
Britta Hackspiel schluckte, ihre Augen weiteten sich. Pia konnte ihr den Kampf, den sie in ihrem Innersten mit sich ausfocht, ansehen.
»Nein. So etwas traue ich ihm nicht zu. Kilian hat, seitdem ich ihn kenne, niemals jemanden geschlagen. Allerdings …« Ihr Gesicht wurde hart. »Allerdings hätte ich ihm auch niemals zugetraut, dass er auf kleine Kinder steht. Ich kenne ihn seit zwanzig Jahren. Auch wenn er viel gearbeitet hat, so war er doch ein Familienmensch, hat sich immer gewissenhaft um alles gekümmert, mich und die Kinder nie vernachlässigt.«
Ihre Schultern sackten nach vorne. Die kühle Distanziertheit, mit der sie sich selbst schützte, löste sich auf. Pia wartete darauf, dass sie weitersprach. In solchen Augenblicken war es besser, jemanden einfach reden zu lassen, als mit Zwischenfragen zu stören, ganz besonders dann, wenn so viel Emotionalität im Spiel war wie bei Britta Hackspiel.
»Er war ein liebevoller Vater und Ehemann. Wir haben immer alles miteinander besprochen und geplant, hatten keine Geheimnisse voreinander. Vielleicht … vielleicht war ich deshalb so … fassungslos, als das alles rauskam«, schloss die Exfrau von Kilian Rothemund. Sie hatte Tränen in den Augen. »Ich hätte das niemals von ihm gedacht. Aber plötzlich war alles nur noch eine einzige Lüge.«
»Die Presse schrieb damals, Ihr Exmann sei früher einmal mit dem Staatsanwalt, der gegen ihn Klage erhoben hat, befreundet gewesen«, sagte Pia. »Stimmt das?«
»Ja, das stimmt. Markus und Kilian haben zusammen studiert und waren sehr gute Freunde. In dem Sommer, in dem Kilian und ich uns kennengelernt haben, waren er und Markus mit den Mopeds unterwegs. Irgendwann ist die Freundschaft dann zerbrochen.« Sie stieß einen resignierten Seufzer aus. »Kilian wurde Anwalt und verdiente viel Geld. Ich weiß nicht genau, was zwischen den beiden vorgefallen ist, aber diese vernichtende Pressekampagne hat Markus angezettelt.«
»Haben Sie je an den Vorwürfen gezweifelt, die man ihm gemacht hat?«, wollte Pia wissen.
Britta Hackspiel holte zitternd Luft, kämpfte um Beherrschung.
»Ja, zuerst habe ich das getan. Ich habe seinen Unschuldsbeteuerungen geglaubt, weil ich ihn zu kennen glaubte. Bis ich diese … diese widerlichen Filme gesehen habe.« Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern. »Da gab es keine Zweifel mehr. Er hat mich belogen, mein Vertrauen missbraucht. Das werde ich ihm nie verzeihen können. Zwar werden wir durch die Kinder immer irgendwie verbunden sein, aber als Mensch ist er für mich gestorben.«
*
Ein Knacken an ihrem linken Knöchel ließ sie erstarren. Ihr Herz machte einen Satz. Einer der Kabelbinder, mit denen dieses Schwein ihren Fuß an das Stuhlbein gefesselt hatte,
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