Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
rauschte und knackte.
»Wir sind drin«, hörten sie eine verzerrte Stimme. »Ein Mann, eine Frau, zwei Kinder. Keine Gegenwehr.«
»Gehen wir«, sagte Bodenstein.
Sie gingen ein Stück bergab durch trockenes Laub, kletterten über einen Graben und betraten das Grundstück. Auf der linken Seite befand sich eine große Scheune, davor ein Grillplatz. Hinter einem Stahlgitterzaun lagerten Unmengen von Auto- und Motorradteilen, ordentlich sortiert und aufgeschichtet. Das Haus lag weiter hinten und war umgeben von einem idyllischen weitläufigen Garten mit uralten Bäumen und blühenden Büschen. Es gab einen Pool und einen Kinderspielplatz. Ein wahres Paradies.
Auf dem feuchten Rasen unweit des Hauses lag ein Mann auf dem Bauch. Er war barfuß, trug nur ein T-Shirt und Shorts, seine Hände waren mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt. Zwei Beamte halfen ihm gerade auf die Beine. In der gewaltsam geöffneten Haustür stand eine dunkelhaare Frau, die ihre Arme um einen hysterisch schluchzenden Jungen von ungefähr zwölf Jahren gelegt hatte. Ein zweiter Junge, etwas älter und fast schon so groß wie seine Mutter, gestattete sich keine Tränen mehr, aber auch ihm stand der Schrecken über den Überfall im Morgengrauen ins Gesicht geschrieben.
Dr. Nicola Engel, in einem grauen Hosenanzug, über den sie eine schusssichere Weste gezogen hatte, stand vor dem bärtigen Hünen wie David vor Goliath – unerschrocken und selbstbewusst, wie es ihre Art war.
»Sie sind vorläufig festgenommen, Herr Prinzler«, sagte sie. »Ich gehe davon aus, dass Sie Ihre Rechte zur Genüge kennen.«
»Ihr seid echt so ein paar Vollidioten«, erwiderte Bernd Prinzler aufgebracht. Seine Stimme war tief und heiser, definitiv nicht die vom Band auf Leonie Verges’ Anrufbeantworter. »Wieso müsst ihr meine Familie in Angst und Schrecken versetzen? Es gibt ’ne Klingel vorne am Tor.«
»Genau«, murmelte Bodenstein.
»Bringt ihn weg«, sagte Kriminalrätin Engel.
»Darf ich mir vorher noch was anziehen?«, fragte Prinzler.
»Nein«, erwiderte Nicola Engel kühl.
Pia sah dem Mann an, dass er am liebsten etwas sehr Unhöfliches gesagt hätte. Aber er kannte sich mit Verhaftungen aus und wusste, dass er mit einer Beleidigung seine Situation nicht gerade verbessern würde. Deshalb begnügte er sich damit, haarscharf neben Nicola Engels Louboutins ins Gras zu spucken, und ging hocherhobenen Hauptes zwischen den beiden SEK -Männern, die neben ihm wie Zwerge wirkten, zu einem der schwarzen Busse.
»Herr Bodenstein, Frau Kirchhoff, Sie können jetzt mit der Ehefrau sprechen«, sagte Nicola Engel.
»Ich will mit Herrn Prinzler sprechen, nicht mit seiner Frau«, entgegnete Bodenstein und erntete dafür einen bösen Blick, der an ihm jedoch einfach abprallte. Unruhe und Stimmengewirr im Haus enthoben sie einer Antwort. Man hatte in einem Zimmer im Souterrain des Hauses zwei junge Frauen gefunden.
»Na also«, sagte Dr. Nicola Engel mit einem geradezu triumphierenden Unterton in der Stimme. »Wusste ich’s doch.«
*
Gestern Abend, nachdem sie das Krankenhaus verlassen hatte, hatte sie ihm eine SMS geschrieben, und seitdem wartete Meike auf eine Antwort, jedoch vergeblich. Seit Sonntag hatte sie nichts mehr von Wolfgang gehört, mal abgesehen von der Besprechung am Montagmorgen im Büro, bei dem sie aber kein persönliches Wort mit ihm hatte wechseln können. Sie fühlte sich im Stich gelassen. Hatte er ihr nicht fest versprochen, sich um sie zu kümmern und ihr beizustehen? Warum meldete er sich nicht bei ihr? Hatte sie etwas falsch gemacht, ihn gekränkt? Mehrmals in der Nacht war Meike aufgewacht und hatte ihr Smartphone kontrolliert, aber er hatte weder eine SMS noch eine E-Mail geschrieben. Von Minute zu Minute wuchs ihre Enttäuschung. Wenn es einen Menschen in ihrem Leben gab, auf den sie sich immer hatte verlassen können, dann war es Wolfgang gewesen. Ihre Enttäuschung verwandelte sich in Zorn, dann in Sorge. Was, wenn auch ihm etwas zugestoßen war?
Um neun Uhr hielt sie es nicht länger aus und rief auf seinem Handy an. Er ging schon nach dem zweiten Klingeln dran. Meike, die gar nicht damit gerechnet hatte, wusste nicht, was sie sagen sollte.
»Hi, Wolfgang«, sagte sie deshalb.
»Hallo, Meike. Ich hab deine SMS erst heute Morgen gelesen, ich hatte das Telefon leise gestellt«, erwiderte er, und sie hatte das Gefühl, dass er nicht die Wahrheit sagte.
»Ist nicht schlimm«, log sie. »Ich hatte dir auch nur sagen wollen,
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