Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
und er war maßgeblich für die Einrichtung der Sonderkommission verantwortlich gewesen. Drei Tage nachdem man das tote Mädchen gefunden hatte, hatte es eine große Aufregung bei der Soko gegeben. Ein anonymer Anrufer hatte sich gemeldet und behauptet, er wisse, woher das Mädchen stamme. Es war eine erste heiße Spur – und leider auch die Letzte. Der Anrufer hatte sich nicht persönlich äußern wollen und schickte deshalb seinen Anwalt.
»Kilian Rothemund«, vermutete Pia.
»Genau«, bestätigte Lutz Altmüller. »Wir trafen uns in einer Kneipe in Sachsenhausen mit Rothemund, der die Identität seines Mandanten zu dem Zeitpunkt nicht preisgeben wollte. Er behauptete, dass das Mädchen Opfer eines Kinderpornorings geworden sein könnte, sein Mandant, selbst ein Betroffener, sei fest davon überzeugt und könne Namen von Hintermännern und Drahtziehern nennen. Das war natürlich alles sehr vage, aber es war eine erste vielversprechende Spur. Allerdings ermittelte nur wenige Tage später die Staatsanwaltschaft gegen Rothemund selbst, bei Razzien in seinem Büro und seinem Privathaus fand man jede Menge belastende Fotos, Filme und schließlich sogar einen kompromittierenden Film, der Rothemund beim Geschlechtsverkehr mit minderjährigen Kindern zeigte.«
»Aber das ist doch völlig irrational«, bemerkte Christian Kröger. »Wieso sollte Rothemund auf diese Weise auf sich selbst aufmerksam machen?«
»Sie sagen es, Kollege.« Altmüller nickte und runzelte die Stirn. »Es war ausgesprochen eigenartig. Rothemund wurde der Prozess gemacht, er verschwand hinter schwedischen Gardinen, sein Mandant blieb anonym und meldete sich nie wieder. Und so ist der Fall bis heute unaufgeklärt.«
»Neun Jahre später fischen wir wieder ein totes Mädchen mit Spuren von Misshandlungen am Körper aus dem Main«, sagte Christian. »Und gleichzeitig rückt wieder dieser Rothemund in den Fokus unserer Ermittlungen.«
»Bisher wissen wir noch nicht, ob er tatsächlich etwas mit unserer Nixe zu tun hat«, mischte sich Cem ein. »Das ist nur eine Vermutung.«
Der Kellner erschien am Tisch und räumte Altmüllers Teller ab. Pia überhörte ihren knurrenden Magen und bestellte nur eine Cola light; auch Cem und Christian verzichteten aufs Essen.
Altmüller wartete, bis der Kellner die Getränke gebracht hatte, dann lehnte er sich vor.
»Meine Kollegen und ich haben damals vermutet, dass Rothemund hereingelegt worden ist«, sagte er mit gesenkter Stimme. »Die Kinderporno-Mafia arbeitet mit allen Mitteln der Einschüchterung. Die sind nicht zimperlich, wenn die Gefahr der Aufdeckung droht, und sie sind allerbestens vernetzt. Die Beziehungen gehen in Ämter, Behörden, in die höchsten Ebenen von Wirtschaft und Politik. Und verständlicherweise hat niemand Interesse daran, dass jemand davon erfährt. Oft dauert es Jahre, bis man mal jemanden überführen oder gar einen ganzen Ring ausheben kann, aber meistens haben wir das Nachsehen. Die sind besser ausgerüstet, haben viel Geld, Connections und technische Möglichkeiten, gegen die wir mit unseren Mitteln nicht ankommen. Wir hinken diesen Kriminellen immer ein paar Schritte hinterher.«
»Warum hat Rothemund sich nicht gewehrt, wenn er unschuldig gewesen sein sollte?«, fragte Pia.
»Hat er ja. Er hat bis zuletzt bestritten, etwas mit dem Beweismaterial gegen ihn zu tun zu haben«, erwiderte Altmüller. »Aber das war so eindeutig, dass das Gericht seinen Einwänden keine Beachtung geschenkt hat. Dazu kam die öffentliche Vorverurteilung durch die Presse. Auch das war mysteriös. Trotz Nachrichtensperre sickerte alles durch. Und dann gab es noch diese denkwürdige Pressekonferenz mit Staatsanwalt Markus Maria Frey …«
»… mit dem Rothemund mal richtig gut befreundet gewesen ist«, ergänzte Pia.
»Ja, das war allgemein bekannt.« Lutz Altmüller nickte. »Aber diese Freundschaft zerbrach, als Rothemund anfing, Schwerkriminelle zu verteidigen, und einige spektakuläre Fälle gewann, weil er den Ermittlungsbehörden und der Staatsanwaltschaft Verfahrensfehler und Versagen nachweisen konnte. Er war auf dem besten Weg, in die oberste Liga der deutschen Strafverteidiger aufzusteigen, konnte sich ein großes Haus, Maßanzüge und teure Autos leisten. Ich bin mir sicher, sein alter Kumpel Frey war einfach neidisch und suchte nach einer Möglichkeit, Rothemund von seinem hohen Ross zu holen.«
»Auf eine solche Weise?« Christian Kröger schüttelte den Kopf. »Das ist doch
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