Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
Rothemund für dich geschrieben hat, nicht der Polizei gegeben, nur weil ich mich bei Wolfgang interessant machen wollte. Vielleicht musste deshalb Leonie Verges sterben. Ich bin neidisch und böse und ekelhaft, und ich hab deine Geduld und Nachsicht nicht verdient.
Das alles dachte sie, sprach es aber nicht aus.
»Kannst du mir ein neues iPhone besorgen? Ich habe noch eine Twinkarte in meinem Schreibtisch im Büro«, flüsterte Hanna. »Vielleicht kannst du es synchronisieren, meine Zugangsdaten für MobileMe stehen auf einem Zettel unter meiner Schreibtischunterlage.«
»Ja, klar. Das mache ich gleich morgen früh«, würgte Meike hervor.
»Danke.« Hanna schloss die Augen.
Meike saß noch eine ganze Weile an ihrem Bett und betrachtete ihre schlafende Mutter. Doch erst als sie das Krankenhaus verlassen hatte und in ihrem Auto saß, fiel ihr ein, dass sie nicht einmal gefragt hatte, wie es ihr ging.
Mittwoch, 30. Juni 2010
Es war Punkt fünf Uhr morgens, als ein Hubschrauber über den Baumwipfeln auftauchte. Gleichzeitig wurde es am Waldrand rings um das Anwesen von Bernd Prinzler lebendig. Schwarzgekleidete vermummte Gestalten brachen durch das Unterholz und umstellten das eingezäunte Areal. Die aufgehende Sonne verbarg sich noch hinter dunstigen Schwaden regenfeuchter Luft. Bodenstein, Pia, Cem Altunay und Kathrin Fachinger verfolgten die Aktion vom Wald aus und beobachteten, wie sich zehn bewaffnete Beamte des Sondereinsatzkommandos aus dem Hubschrauber abseilten, der ein paar Meter über der Wiese in der Nähe des Wohnhauses schwebte. Bolzenschneider zerschnitten die Metallstreben des großen Tores wie Butter. Fünf der hochmotorisierten schwarzen Fahrzeuge mit verspiegelten Scheiben, wie das SEK sie benutzte, rauschten über den geschotterten Waldweg und bogen mit hoher Geschwindigkeit in den Hof ein. Kaum drei Minuten nachdem der Helikopter aufgetaucht war, war die Festung gestürmt.
»Nicht schlecht«, bemerkte Cem nach einem Blick auf seine Uhr.
»Das nenne ich mit Kanonen auf Spatzen schießen«, brummte Bodenstein. Seine unbewegte Miene verriet nicht, was in ihm vorging, aber Pia wusste, dass er sich über Nicola Engels Kritik ärgerte. Auf der Fahrt von Hofheim hierher hatte niemand mehr etwas gesagt, nachdem es zwischen Bodenstein und Kriminalrätin Engel in Höhe des Offenbacher Kreuzes zu einem kurzen, aber heftigen Wortwechsel gekommen war. Gestern Abend hatte man mit Hilfe von Satellitenfotos die Lage des Anwesens hinter dem Waldstück zwischen Langenselbold und Hüttengesäß analysiert und den Einsatz mit einer SEK -Einheit und einer Hundertschaft der Bereitschaftspolizei koordiniert, und Bodenstein hatte die geplante Aktion als völlig überzogen und pure Verschwendung von Steuergeldern bezeichnet. Daraufhin war ihm Nicola Engel scharf über den Mund gefahren und hatte ihm vorgeworfen, seit drei Wochen überhaupt nichts hinzukriegen, weswegen sie sich beim Innenministerium rechtfertigen müsse.
Pia und Cem hatten nur einen Blick gewechselt und wohlweislich geschwiegen, denn ein einziges falsches Wort konnte in diesem Zustand hochexplosiver Anspannung die Wirkung eines Brandbeschleunigers haben.
Aufgescheucht von der plötzlichen Unruhe und dem Lärm stob ein Rudel Rehe mit grazilen Sprüngen durch das Gehölz. In den Bäumen ringsum stimmten die ersten Vögel ihr Frühkonzert an, gänzlich unbeeindruckt von dem, was sich unter ihnen abspielte.
»Warum ärgerst du dich so über das, was die Engel gesagt hat?«, fragte Pia ihren Chef. »Wenn sie die Sache hier versieben, ist es nicht unser Problem.«
»Darüber ärgere ich mich gar nicht«, erwiderte Bodenstein. »Aber in Frankfurt und beim LKA war bekannt, wo Prinzler wohnt. Sie haben ihn seit langem auf dem Kieker, hatten aber bis gestern keinen Grund für eine Hausdurchsuchung.«
»Wie bitte? Die kannten den Hof hier?«, fragte Pia ungläubig nach. »Warum haben wir keine Informationen bekommen? Spätestens seitdem wir bei Prinzlers Mutter waren, wussten die in Frankfurt doch, dass wir nach ihm suchen!«
»Weil wir in deren Augen nur ein paar bescheuerte Provinzbullen sind«, entgegnete Bodenstein und rieb sich sein unrasiertes Kinn. »Aber das lasse ich diesmal nicht auf sich beruhen. Wenn herauskommt, dass Prinzler Leonie Verges umgebracht hat und wir das hätten verhindern können, wenn die Kommunikation mit den Frankfurtern nicht so schlecht gewesen wäre, dann rollen Köpfe.«
Das Funkgerät, das Pia in der Hand hielt,
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