Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
die gegen ihren Willen festgehalten wurden. Im Taumel der Euphorie über diesen vermeintlichen Erfolg hatte man ihnen nicht gestattet, persönliche Sachen mitzunehmen, deshalb hatte es sich erst später auf dem Frankfurter Polizeipräsidium herausgestellt, dass Natascha und Ludmilla Walenkowa mitnichten auf den Strich gingen. Natascha war das Au-pair-Mädchen der Prinzlers, ausgestattet mit einem Pass und einer gültigen Aufenthaltsbescheinigung, und Ludmilla, ihre ältere Schwester, die vor ihr als Au-pair auf dem Anwesen gelebt hatte, studierte in Frankfurt Wirtschaftsinformatik und lebte mit einem Studentenvisum auch völlig legal in Deutschland.
Alles in allem war die morgendliche Aktion an Sinnlosigkeit nicht zu überbieten und hatte nur eine Menge Geld gekostet. Prinzlers Anwältin, eine toughe Mittdreißigerin, hatte klargemacht, dass sie Schadensersatz für den angerichteten Sachschaden und Schmerzensgeld in erheblicher Höhe für die erlittenen Ängste einklagen würde.
Pia wusste, dass Bodenstein keine Genugtuung empfand, weil er recht behalten hatte, es ärgerte ihn nur maßlos, dass die Kollegen in Frankfurt ihnen bisher nicht die Gelegenheit gegeben hatten, mit Prinzler zu sprechen. Ein Gutes hatte der morgendliche Zirkus jedoch gehabt, denn Bodenstein hatte auf dem Polizeipräsidium an der Adickesallee zufällig einen früheren Kollegen getroffen, der damals die Verhaftung von Kilian Rothemund geleitet hatte. Unter anderem war Lutz Altmüller bei der Soko »Leopard« gewesen, die den bis heute unaufgeklärten Fall des toten Mädchens bearbeitet hatte, das am 31. Juli 2001 ebenfalls im Main gefunden worden war. Altmüller war bereit, sich mit Pia, Christian Kröger und Cem Altunay zu treffen, und hatte als Treffpunkt das Restaurant Unterschweinstiege unweit des Frankfurter Flughafens vorgeschlagen. Das passte Pia gut, denn sie hatte Bodenstein versprochen, ihn zum Flughafen zu fahren. Sein Flug nach München ging um halb drei, und da er nur Handgepäck dabei-, Kai ihn bereits online eingecheckt und den Bordpass auf sein iPhone geladen hatte, war er gut in der Zeit, als sie ihn um halb zwei vor der Abflughalle A am Flughafen absetzte.
Sie fuhr zur Unterschweinstiege, stellte ihr Auto im Parkhaus ab und überquerte zu Fuß die Straße. Cem und Christian warteten vor dem alten Forsthaus und winkten ihr, als sie etwas orientierungslos auf der Suche nach dem Restaurant zwischen den Bürogebäuden und dem Airport Hotel herumirrte.
Hauptkommissar Lutz Altmüller saß gleich am ersten Tisch neben der Eingangstür und ließ sich eine ansehnliche Portion Ochsenbrust mit Grüner Soße und Salzkartoffeln schmecken. Pia, die den ganzen Tag noch nicht zum Essen gekommen war, lief bei diesem Anblick das Wasser im Mund zusammen.
»Ich dachte mir, wenn wir uns schon zur Mittagszeit treffen, dann kann man das auch gleich mit einem Mittagessen verbinden«, gab Altmüller freimütig zu, nachdem man sich begrüßt und vorgestellt hatte. »Setzt euch doch! Habt ihr schon gegessen? Die Grüne Soße kann ich nur empfehlen.«
Er fuchtelte mit Messer und Gabel und sprach mit vollem Mund.
»Wo habt ihr Bodenstein gelassen?«
»Der fliegt nach München«, sagte Pia. »Er ist heute Abend bei Aktenzeichen XY .«
»Ach, stimmt ja, das sagte er.«
Es war schwer sich vorzustellen, dass Lutz Altmüller einmal ein erfolgreicher Leichtathlet gewesen war. 1996 hatte er sogar an den Olympischen Spielen in Atlanta teilgenommen und dadurch bei der Frankfurter Polizei stets einen Sonderstatus innegehabt. Doch mittlerweile hatten sich die Muskeln in schwabbeliges Fett verwandelt, das traurige Resultat von übermäßig viel fettem Essen in Kombination mit Bewegungsmangel.
»So, Kinder, was wollt ihr denn wissen?« Er tupfte sich mit der Stoffserviette Mund und Gesicht ab, nahm einen Schluck sauergespritzten Apfelwein und lehnte sich zurück. Der Stuhl ächzte unter dem Gewicht seines gemästeten Körpers.
»Wir ermitteln derzeit in drei Fällen«, begann Pia. »Und dabei sind wir immer wieder auf die Namen Kilian Rothemund und Bernd Prinzler gestoßen. Prinzler wurde heute Morgen festgenommen, aber Rothemund ist noch immer flüchtig. Wir würden gern mehr über den Mann wissen.«
Lutz Altmüller hörte aufmerksam zu. Sein Körper mochte im Laufe der Jahre schwerfällig geworden sein, sein Erinnerungsvermögen war es nicht. Er war damals, im Juli 2001, einer der Kripobeamten gewesen, die zum Fundort der Mädchenleiche gefahren waren,
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