Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
zu lassen. »Hier kommt doch kein Wolf her.«
»Doch«, flüsterte Louisa schläfrig. »Immer, wenn du weg bist. Aber das ist geheim. Ich darf dir nichts sagen, weil sonst frisst er mich auf.«
*
Man hatte Bernd Prinzler am Morgen dem Haftrichter vorgeführt und von der Arrestzelle im Polizeipräsidium, wo er die Nacht verbracht hatte, ins Untersuchungsgefängnis nach Preungesheim überstellt. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis man ihn in das Besucherzimmer brachte, in dem Pia und Christian warteten. Die beiden Justizbeamten, die ihn begleiteten, waren größer als Pia, aber Prinzler überragte sie um Haupteslänge. Pia war darauf vorbereitet, dass es nicht einfach sein würde, mit ihm zu reden. Der Mann hatte jahrelange Knasterfahrung, die Atmosphäre des Untersuchungsgefängnisses beeindruckte ihn nicht im Geringsten, so wie es bei Menschen der Fall war, die zum ersten Mal in ihrem Leben eine Nacht in einer Zelle verbracht und die beängstigende Erfahrung des Eingesperrtseins gemacht hatten. Männer wie Prinzler sagten meistens kein Wort, beriefen sich höchstens auf ihren Anwalt.
»Guten Tag, Herr Prinzler«, sagte Pia. »Mein Name ist Pia Kirchhoff, das ist mein Kollege Hauptkommissar Kröger. K11 Hofheim.«
Prinzlers finsterer Miene war keine Gefühlsregung anzusehen, aber in seinen dunklen Augen lag ein Ausdruck von Besorgnis und Anspannung, der Pia überraschte.
»Nehmen Sie doch bitte Platz.« Sie wandte sich an die beiden Vollzugsbeamten. »Danke. Sie können dann bitte draußen warten.«
Prinzler setzte sich breitbeinig auf den Stuhl, verschränkte die tätowierten Arme vor der Brust und blickte Pia unverwandt an.
»Was hab ich jetzt mit euch zu tun?«, fragte er, als sich der Schlüssel von außen im Schloss drehte. »Um was geht’s überhaupt?«
Seine Stimme war tief und heiser.
»Wir ermitteln im Mordfall Leonie Verges«, sagte Pia. »Eine Zeugin hat Sie und einen zweiten Mann an dem Abend, an dem ihre Leiche gefunden wurde, aus dem Haus von Frau Verges kommen sehen. Was haben Sie da gemacht?«
»Als wir ins Haus kamen, war sie schon tot«, erwiderte er. »Ich hab von meinem Handy aus die 110 angerufen und die Leiche gemeldet.«
Nach diesem vielversprechenden Anfang antwortete er auf keine der Fragen mehr, die Pia und Christian abwechselnd stellten.
»Warum waren Sie bei Frau Verges?«
»Woher kannten Sie sie?«
»Ihr Auto wurde von Nachbarn häufiger am Haus von Frau Verges beobachtet. Was hatten Sie dort zu tun?«
»Wer war der Mann, der Sie begleitet hat?«
»Wann haben Sie das letzte Mal mit Kilian Rothemund gesprochen?«
»Was haben Sie in der Nacht vom vierundzwanzigsten auf den fünfundzwanzigsten Juni gemacht?«
Endlich bequemte er sich dazu, den Mund aufzumachen.
»Warum wollt ihr das wissen?«
»In der Nacht wurde die Fernsehmoderatorin Hanna Herzmann überfallen, zusammengeschlagen und brutal vergewaltigt.«
Pia bemerkte ein Flackern in Prinzlers Augen. Seine Kiefermuskulatur mahlte, er spannte seine beachtlichen Halsmuskeln an.
»Ich hab’s nicht nötig, Frauen zu vergewaltigen. Und geschlagen hab ich auch noch nie eine. Ich war am 24. in Mannheim auf ’nem Bikertreffen. Dafür gibt’s ungefähr fünfhundert Zeugen.«
Immerhin stritt er nicht ab, Hanna Herzmann zu kennen.
»Warum waren Sie am Abend vorher in Begleitung von Kilian Rothemund bei Frau Herzmann zu Hause?«
Pia hatte nicht erwartet, in Bernd Prinzler eine Plaudertasche vorzufinden, aber ihre Geduld, die höchste Tugend eines Ermittlers, wurde auf eine harte Probe gestellt. Die Zeit lief ihnen davon.
»Hören Sie, Herr Prinzler«, schlug Pia einen unkonventionellen Weg ein. »Mein Kollege und ich halten Sie in beiden Fällen nicht für tatverdächtig. Ich denke, Sie wollen jemanden decken oder schützen. Das kann ich verstehen. Aber wir müssen einen gefährlichen Psychopathen finden, der ein junges Mädchen aufs Übelste misshandelt, geschändet und ertränkt hat, bevor er es im Main entsorgt hat wie ein Stück Müll. Sie haben doch selbst Kinder, denen so etwas zustoßen könnte.«
Aus Prinzlers Blick sprach Erstaunen. Und Respekt.
»Hanna Herzmann wurde mit dem Stiel eines Sonnenschirms bestialisch geschändet und so schwer verletzt, dass sie fast innerlich verblutet wäre«, fuhr Pia fort. »Man hat sie im Kofferraum ihres Autos liegen lassen, und sie hat nur mit viel Glück überlebt. Leonie Verges wurde auf einen Stuhl gefesselt. Jemand hat ihr beim Verdursten zugesehen, auf sie war eine
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