Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
grinste auch, wurde aber schnell wieder ernst. »Ich glaube, in der Biographie von Staatsanwalt Frey gibt es irgendwelche dunklen Flecken.«
Pia blieb stehen.
»Wie kommst du denn darauf?«, fragte sie erstaunt.
»Ich kann mich an einen Zeitungsartikel erinnern«, erwiderte er. »Das war kurz nachdem Rothemund festgenommen worden war. Man hatte seine Frau interviewt, und sie behauptete, die Festnahme sei eine persönliche Rache von Frey an ihrem Mann, weil der – also Rothemund – herausgefunden hätte, dass Frey sich seinen Doktortitel erkauft hätte.«
Er spuckte den Stein der Pflaume aus.
»Daraufhin habe ich letzte Nacht etwas recherchiert und bin darauf gestoßen, wer Freys Doktorvater war. Zufällig sitzt der auch im Kuratorium der Finkbeiner-Stiftung. Professor Ernst Haslinger. Er war Dekan der juristischen Fakultät und Vizepräsident der Goethe-Universität, wurde danach nach Karlsruhe an den Bundesgerichtshof berufen.«
»Das muss nichts heißen«, sagte Pia. »Warum interessiert Staatsanwalt Frey dich überhaupt?«
»Weil ich sein Interesse an dem Fall seltsam finde.« Christian blieb stehen. »Ich mache seit über zehn Jahren Tatortarbeit, aber ich habe es noch nie erlebt, dass ein Oberstaatsanwalt höchstpersönlich bei der Durchsuchung einer Wohnung aufgetaucht ist. Die schicken – wenn überhaupt – irgendeinen Untergebenen.«
»Es interessiert ihn eben über das Berufliche hinaus«, erwiderte Pia. »Er und Rothemund waren mal die besten Freunde.«
»Und warum war er an dem Abend in Eddersheim, als wir das tote Mädchen im Fluss gefunden haben?«
»Er war gerade bei Freunden in der Nähe zum Grillen.« Pia versuchte sich daran zu erinnern, wie Frey sein Erscheinen an jenem Abend gerechtfertigt hatte. Sie selbst hatte sich nämlich auch gewundert.
»Das mit dem Grillen glaube ich«, sagte Christian. »Aber dass er in der Nähe war, das glaube ich nicht.«
»Worauf willst du hinaus?«, fragte Pia.
»Das weiß ich selbst nicht so genau«, gab Christian zu. Er zupfte einen Grashalm ab und wickelte ihn geistesabwesend um seinen Finger. »Aber mir sind das alles irgendwie zu viele Zufälle.«
Sie gingen weiter.
»Und was beschäftigt dich?«, fragte er nach einer Weile.
Pia überlegte, ob sie ihm von der Erik-Lessing-Sache und Frank Behnkes Beteiligung daran erzählen sollte. Mit irgendjemandem musste sie darüber sprechen. Kai fiel aus, denn er war zu stark in die aktuellen Ereignisse eingebunden. Cem kannte sie nicht gut genug, Bodenstein und Kathrin waren befangen und nicht neutral. Eigentlich hatte sich Christian Kröger mehr und mehr zu der einzigen Person in ihrem beruflichen Umfeld entwickelt, der sie wirklich vertraute. Schließlich fasste sie sich ein Herz und schilderte ihm ihren Verdacht.
»Du meine Güte«, sagte er betroffen, als sie geendet hatte. »Das erklärt vieles. Vor allen Dingen Franks Verhalten.«
»Wer kann damals den Auftrag gegeben haben, Lessing zu eliminieren?«, fragte Pia. »Das kann nicht die Engel als Dezernatsleiterin gewesen sein, das muss von viel weiter oben gekommen sein. Polizeipräsident? Innenministerium? BKA ? Bis heute steht Behnke unter dem Schutz von irgendwem. Normalerweise hätte er für all das, was er sich so geleistet hat, nicht nur suspendiert, sondern aus dem Beamtendienst entfernt werden müssen.«
»Man muss danach fragen, wer ein Interesse daran hatte, Lessing aus dem Weg zu schaffen«, überlegte Christian. »Was hatte er herausgefunden? Es muss etwas wirklich Brisantes gewesen sein, etwas, das zu einer ernsthaften Bedrohung für einen der hohen Herren hätte werden können.«
»Bestechung«, vermutete Pia. »Drogenhandel. Mädchenhandel.«
»Das war ja sicherlich sowieso seine offizielle V-Mann-Mission«, entgegnete Christian. »Nein, es muss etwas Persönliches gewesen sein. Etwas, das einen Menschen ruinieren kann.«
»Wir sollten Prinzler danach fragen«, sagte Pia und warf einen Blick auf ihre Uhr. »Und zwar in einer Stunde. Kommst du mit nach Preungesheim?«
*
»Ich weiß, du wolltest nicht, dass ich herkomme, aber ich musste dich unbedingt sehen.« Wolfgang blickte sich um, drehte den Blumenstrauß verlegen in den Händen.
»Leg ihn einfach auf den Tisch. Die Schwestern tun ihn später in eine Vase.« Hanna hätte ihn am liebsten gebeten, die Blumen gleich wieder mitzunehmen. Auch noch weiße Lilien! Sie hasste den intensiven Duft, der sie an Trauerhallen und Friedhöfe erinnerte. Blumen gehörten in den Garten, nicht
Weitere Kostenlose Bücher