Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
Funkkamera gerichtet, die ihr qualvolles Sterben festgehalten hat. Wenn Sie uns irgendwie dabei helfen können, den oder die Täter festnehmen und für ihre Taten zur Rechenschaft ziehen zu können, dann wäre ich Ihnen wirklich dankbar.«
»Wenn ihr mir helft hier rauszukommen«, antwortete Prinzler, »dann kann ich euch auch helfen.«
»Ginge es nach uns, könnten Sie sofort gehen.« Pia hob bedauernd die Schultern. »Aber da sind höhere Mächte im Spiel.«
»Mich stört’s nicht, hier ein paar Tage rumzuhängen«, sagte er. »Ihr habt nix gegen mich vorliegen. Meine Anwältin reicht ’ne Haftbeschwerde ein, und ich krieg sogar noch Kohle für die Tage, die ich hier war.«
Sein Gesicht mit dem scharf ausrasierten Bart war wie aus Stein gemeißelt, aber der Ausdruck seiner Augen strafte seine äußerliche Ungerührtheit Lügen. Der Mann, der schon zahllose Verhöre und Vernehmungen hinter sich hatte, der an einen rauen Umgangston gewöhnt und sicherlich nicht zimperlich war, machte sich Sorgen. Große Sorgen. Die Person, die er schützen wollte, musste ihm wirklich am Herzen liegen. Pia beschloss, einen Schuss ins Blaue zu wagen.
»Wenn Sie sich um Ihre Familie sorgen, kann ich veranlassen, dass sie Polizeischutz bekommt«, sagte sie.
Der Gedanke an Polizeischutz für seine Familie schien Prinzler zu amüsieren; ein winziges Lächeln zuckte um seinen Mund, erlosch aber sofort wieder.
»Sorgen Sie lieber dafür, dass die mich heute noch rauslassen.« Er betrachtete sie eindringlich und fordernd. »Ich hab einen festen Wohnsitz, ich hau euch nicht ab.«
»Dann beantworten Sie unsere Fragen«, mischte sich Christian ein.
Prinzler beachtete ihn nicht. Es sprach für ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, dass er sich diese Blöße gab und eine Bullenschlampe quasi darum bat, ihm zu helfen. Männer seines Kalibers hatten normalerweise nichts als Verachtung für Polizisten übrig.
»Man hat Sie an der Stelle, an der Frau Herzmann im Kofferraum ihres Autos gefunden wurde, gesehen. Morgen findet eine Gegenüberstellung mit dem Zeugen statt.«
»Ich hab doch schon gesagt, wo ich an dem Abend war.« Prinzler vermied Beleidigungen, Macho-Gehabe und den Milieu-Jargon, den er sonst zweifellos benutzte. Er war intelligent, hatte sich vor vierzehn Jahren aus den Tagesgeschäften der Road Kings zurückgezogen und lebte in einem Paradies, weitab von den Clubs und Etablissements des Rotlichtviertels, das einmal sein Zuhause gewesen war. Warum? Was hatte ihn dazu veranlasst? Pia schätzte ihn auf Mitte fünfzig, damals musste er also ungefähr Ende dreißig gewesen sein, kein Alter, in dem sich jemand wie Bernd Prinzler einfach so zur Ruhe setzte. Und obwohl er die kriminellen Zeiten hinter sich gelassen zu haben schien, tat er alles, um unsichtbar zu sein. Vor wem versteckte er sich? Und wieder einmal ein großes »Warum?«.
Die Zeit verstrich, niemand sagte etwas.
»Warum musste Erik Lessing sterben?«, fragte Pia in die Stille hinein. »Was wusste er?«
Prinzler hatte seine Mimik gut unter Kontrolle, aber er konnte nicht verhindern, dass seine Augenbrauen reflexartig nach oben zuckten.
»Genau darum geht es doch auch jetzt«, sagte er rau.
»Und um was geht es jetzt?«, fragte Pia.
Sie wich seinem Blick nicht aus.
»Denken Sie scharf nach«, erwiderte Prinzler. »Ich sag jetzt nichts mehr ohne meine Anwältin.«
*
Sie war sauer. Stinksauer. Und gekränkt.
Was fiel diesem Arschloch eigentlich ein, sie so abzuservieren? Meike brannten Tränen der Wut in den Augen, als sie mit durchgedrücktem Rücken und steifen Schritten die Treppe hinunterging.
Nach einem Besuch bei Hanna war sie nach Oberursel zu Wolfgang gefahren. Sie wusste selbst nicht, weshalb er ihr auf einmal so wichtig geworden war und warum sie das Gefühl hatte, er würde sie anlügen. Woher kam ihr Misstrauen? Als er ihr am Telefon gesagt hatte, sie könne nicht bei ihm übernachten, weil sein Vater Besuch habe, hatte sie ihm nicht geglaubt.
Doch tatsächlich waren die Auffahrt und der ordentlich geharkte Kiesvorplatz mit Autos vollgeparkt. Dicke Schlitten aus Karlsruhe, München, Stuttgart, Hamburg, Berlin, sogar aus dem Ausland. Okay, Wolfgang hatte also nicht gelogen. Eine Weile hatte sie dagestanden und überlegt, ob sie wieder fahren oder einfach mal klingeln sollte. Wolfgang wusste doch, dass sie allein herumsaß. Wenn es eine Party in seinem Haus gab, hätte er sie ja wohl einladen können! Hanna wurde immer und zu jeder Gelegenheit
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