Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
meinem Leben oft genug von den Bullen rumkutschiert worden.«
Er verließ den Raum und wurde von dem anwesenden Beamten in Uniform zum Ausgang des Gebäudes begleitet. Bodenstein und Pia folgten ihm. Vor der Tür des Vernehmungsraumes wartete Dr. Nicola Engel.
»Warum lassen Sie ihn gehen?«, erkundigte sie sich. »Was war da los in Falkenstein?«
»Er hat uns alles erzählt, und er hat einen festen Wohnsitz«, antwortete Bodenstein. Bevor er weitersprechen konnte, unterbrach Pia ihn. Ihr ging nicht aus dem Kopf, was Behnke über Nicola Engels Beteiligung an der Erik-Lessing-Sache gesagt hatte, und sie stellte fest, dass sie ihrer Chefin zutiefst misstraute. Wenn es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen dieser Sache und den Fällen von heute gab, dann war es besser, sie vorerst nicht über jedes Detail zu informieren.
»Erst Rothemund, dann Grasser?«, fragte Pia deshalb ihren Chef.
»Ja, erst Rothemund«, stimmte Bodenstein zu.
Das Handy der Kriminalrätin klingelte, sie entfernte sich ein paar Meter, um das Gespräch entgegenzunehmen. Pia zermarterte sich das Gehirn, wie sie die Engel abschütteln konnte, damit sie das Gespräch mit Rothemund nicht via Lautsprecher hinter der verspiegelten Glasscheibe verfolgte. Für eine langatmige Erklärung war keine Zeit, sie musste darauf vertrauen, dass er nicht nachfragte.
»Ich möchte Rothemund am liebsten in deinem Büro befragen«, sagte sie deshalb.
»Gute Idee«, antwortete Bodenstein zu ihrer Erleichterung. »Von dem Neonlicht kriege ich nach einer halben Stunde Kopfschmerzen. Lass ihn hochbringen, ich muss noch mal kurz für kleine Jungs.«
»Ach, Oliver.« Pia sah, dass die Engel ihr Telefonat beendet hatte. »Ich würde gern mit Rothemund erst mal unter sechs Augen sprechen, ohne die Chefin. Kriegst du das hin?«
Sie sah das Fragezeichen in seinen Augen, aber er nickte.
»Oberstaatsanwalt Frey ist da«, verkündete Dr. Nicola Engel. »Wie verfahren wir jetzt?«
»Frau Kirchhoff und ich sprechen zuerst einmal allein mit Rothemund und Grasser«, erwiderte Bodenstein. »Später kann Frey dazukommen.«
Pia warf ihm einen scharfen Blick zu, dann ging sie zu Vernehmungsraum 3, um zu veranlassen, dass man Kilian Rothemund hoch in den ersten Stock brachte.
»Ich würde auch gerne dabei sein«, hörte Pia die Engel sagen. Bodensteins Antwort verstand sie nicht, hoffte aber, dass er sich durchgesetzt hatte. Als sie zurückkehrte, war die Kriminalrätin verschwunden, dafür kam Oberstaatsanwalt Frey den Flur entlang. Er trug einen hellgrauen Anzug, ein weißes Hemd und Krawatte, das Haar war noch feucht und straff nach hinten frisiert. Äußerlich wirkte er so beherrscht und gelassen wie immer, doch sein sonst so klarer Blick war verhangen und voller Trauer.
»Hallo, Herr Dr. Frey«, begrüßte sie ihn. »Wie geht es Ihnen?«
»Hallo, Frau Kirchhoff.« Er reichte ihr die Hand, die Andeutung eines Lächelns zuckte um seine Lippen. »Alles andere als gut. Ich glaube, ich habe noch gar nicht so wirklich begriffen, was da geschehen ist und wie das überhaupt passieren konnte.«
Hätte Pia nicht mit eigenen Augen gesehen, in welchem Zustand er noch vor knapp zwei Stunden gewesen war, dann hätte sie nicht für möglich gehalten, dass er etwas so Furchtbares erlebt hatte. Seine Professionalität nötigte ihr ehrlichen Respekt ab.
»Ich möchte mich noch einmal bei Ihnen bedanken«, sagte er. »Es war wirklich großartig, wie Sie sich verhalten haben.«
»Nicht der Rede wert.« Pia fragte sich, warum sie ihn früher für einen selbstgerechten Bürokraten gehalten und nicht gemocht hatte.
Bodenstein kam aus der Herrentoilette. Im gleichen Moment öffnete sich die Tür des Vernehmungsraumes weiter hinten auf dem Flur, und ein Beamter führte Kilian Rothemund, der Handschellen trug, zur hinteren Treppe, die in den ersten Stock führte. Frey blickte ihm nach. Pia bemerkte, wie sich seine Miene für den Bruchteil einer Sekunde veränderte. Sein Körper straffte sich, er hob das Kinn.
»Das war aber nicht Helmut Grasser«, stellte er fest.
»Nein«, antwortete Bodenstein. »Das ist Kilian Rothemund. Er hat sich heute gestellt. Meine Kollegin und ich werden jetzt zuerst mit ihm sprechen, danach mit Grasser.«
Markus Maria Frey blickte dem Mann, mit dem er einmal eng befreundet gewesen war und den er trotzdem für Jahre ins Gefängnis gebracht hatte, hinterher und nickte.
»Ich möchte bei der Befragung dabeisein«, sagte er.
»Nein, Frau Kirchhoff und ich
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