Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
Sicherheit?«, erkundigte sich Pia.
»Ja. Meine Exfrau hat sie angerufen. Sie ist genau in dem Moment nach Hause gekommen, als die Polizei kam, um mich abzuholen.« Rothemund nickte. »Ich konnte kurz mit ihr sprechen, und sie hat mir versprochen, das Haus erst mal nicht zu verlassen.«
»Wir besorgen ihr Polizeischutz«, sagte Pia.
Bodenstein räusperte sich.
»Nun mal der Reihe nach«, sagte er. »Wir haben von Bernd Prinzler schon einiges erfahren, sind über die Lebensgeschichte seiner Frau im Bilde. Sie ist heute auf der Geburtstagsfeier von Josef Finkbeiner erschienen und hat dort zwei Männer erschossen und ihren Vater lebensgefährlich verletzt.«
»Du meine Güte!«, stieß Rothemund betroffen hervor. Diese Nachricht nahm ihn sichtlich mit, er rang um Fassung. »Wen hat sie erschossen?«
»Dr. Hartmut Matern und Dr. Richard Mehring, früher oberster Richter am Oberlandesgericht.«
»Die beiden gehören zum inneren Kreis des Kindermissbrauchrings«, bestätigte Kilian Rothemund. »Sie sind die Drahtzieher, gemeinsam mit drei weiteren Männern, und das seit über vierzig Jahren. So lange treiben sie schon unbehelligt ihr Unwesen. Ich habe eine lange Liste von Namen und auch jede Menge Beweise dafür, dass diese Liste korrekt ist. Michaela Prinzler hat mir ihr jahrelanges Martyrium minutiös geschildert und aufgeschrieben. Frau Herzmann und ich konnten in den letzten Wochen sehr viele Beweise und Aussagen von ehemaligen Opfern und Tätern sammeln, die Michaelas Geschichte untermauern. Ich habe mich in den letzten Jahren sehr intensiv mit diesem Thema befasst, wie Sie sich denken können.«
Mochte sein Gesicht auch furchtbar entstellt sein, seine außergewöhnlich hellblauen Augen waren von einer wachsamen Intensität, die es Pia schwermachte, ihn anzusehen. Sie musste sich geradezu zwingen, ihren Blick nicht abzuwenden.
»Als sich Bernd Prinzler vor neun Jahren mit der Bitte, seiner Frau zu helfen, an mich wandte, war ich von dem Thema fasziniert«, sprach Rothemund nach einer kurzen Pause weiter. »Ich hatte die Entschlossenheit und Gefährlichkeit dieser Leute völlig unterschätzt. Sie haben mich fertiggemacht. Ich habe alles verloren: meine Familie, mein Ansehen, meinen Job. Ich war im Gefängnis und bin vorbestraft wegen Kindesmissbrauchs und des Besitzes kinderpornographischer Fotos und Filme, die sich auf allen meinen Computern befanden. Das alles war eine geschickt aufgestellte Falle, in die ich blind hineingetappt bin.«
»Wie konnte das passieren?«, fragte Pia.
»Ich war im wahrsten Sinne des Wortes blauäugig.« Er lächelte ein wenig, doch das Lächeln erlosch sofort wieder. »Ich habe den falschen Menschen vertraut, fühlte mich zu sicher. Man tat mir K.o.-Tropfen in einen Drink. Vierundzwanzig Stunden später wachte ich in meinem Auto auf, hatte einen Filmriss. Während ich bewusstlos war, hatten sie mich ausgezogen, mich mit nackten Kindern zusammen ins Bett gelegt und Fotos gemacht. So etwas ist ein übliches Mittel, um unbequeme Leute in Schach zu halten. Ich weiß von zwei Jugendamtsmitarbeitern, denen dasselbe passiert ist, von einem Lehrer, der seinen Verdacht auf Missbrauch eines Schülers anzeigen wollte, und von mindestens drei anderen Männern. Man hat einfach keine Chance, denn die Verbindungen dieser Leute gehen in Ministerien, in die Wirtschaft, die Politik und auch in die Polizei. Alle decken sich gegenseitig, nicht nur in Deutschland. Das ist eine internationale Angelegenheit, bei der sehr viel Geld im Spiel ist.«
Er betrachtete versonnen seine verletzte rechte Hand, drehte sie ein wenig hin und her.
»Als vor ein paar Wochen das tote Mädchen im Fluss gefunden wurde, wollte Michaela endgültig auspacken. Bernd rief mich an, ich sagte ihm sofort zu, dass ich mitmachen wollte. Ich hatte nichts mehr zu verlieren, aber vielleicht eine kleine Chance auf Rehabilitierung, sollten wir das alles in der Öffentlichkeit beweisen können. Über Michaelas Therapeutin Leonie kam der Kontakt zu Hanna Herzmann zustande. Sie war begeistert von der Möglichkeit, ein solch brisantes Thema für ihre Sendung zu bekommen. Und obwohl wir sie gewarnt haben, hat auch sie offenbar die Gefährlichkeit dieser Leute unterschätzt. Genau wie ich. Sie hat ihrem alten Jugendfreund Wolfgang Matern davon erzählt, in seiner Eigenschaft als Programmdirektor des Senders, für den sie ihre Sendung produziert.« Rothemund seufzte. »Hanna hatte keinen blassen Dunst davon, dass Wolfgang Materns Vater
Weitere Kostenlose Bücher