Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
hatte auf jeden Fall keine Ahnung, worum es damals wirklich ging. Und Frank wusste auch nichts. Wenn wir nicht alle Hintermänner erwischen, dann wird Kilian Rothemund für den Rest seines Lebens in Gefahr sein und mit ihm seine Kinder.«
Kröger drosselte das Tempo, weil er den Wirtschaftsweg, der von Zeilsheim zur B519 nach Kelkheim führte, überqueren musste. Auf der anderen Seite folgte er dem asphaltierten Weg, der parallel neben der A66 entlangführte. Es dämmerte schon, trotzdem waren noch jede Menge Skater und Jogger unterwegs, die das Auto wegen des Lärms der Autobahn nicht kommen hörten und deshalb nicht auswichen. Ungeduldig trommelten Krögers Finger auf das Lenkrad, und Pia erkannte die Anspannung in seinem Gesicht. Er machte sich ebenso große Sorgen wie sie selbst. Ein paar Minuten später hatten sie den Birkenhof erreicht. Vor dem Tor stand der grüne Traktor von Hans Georg und zwei Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht, unter dem Walnussbaum im Hof parkten ein Notarzt- und ein Rettungswagen. Pia gefror bei diesem Anblick das Blut in den Adern. Bis jetzt hatte sie sich Lillys wegen gesorgt und überhaupt nicht darüber nachgedacht, dass auch Christoph etwas passiert sein könnte!
Im Gegenlicht der sinkenden Sonne sah sie etwas Dunkles auf der geschotterten Auffahrt zwischen Koppeln und Reitplatz liegen, Kröger sah es auch und trat so heftig auf die Bremse, dass die Schottersteinchen spritzten. Pia sprang aus dem Auto, bevor es ganz zum Stillstand gekommen war.
»Oh mein Gott!«
Alle Kraft wich aus ihrem Körper, ihr wurde übel. Die Tränen schossen ihr in die Augen.
»Was ist das?«, fragte Kröger hinter ihr, dann erkannte er es selbst. Er legte seine Arme um sie und zog sie weg, hinderte sie daran, länger hinzuschauen. Der Hund lag in einer großen Blutlache und war tot, keine fünf Meter entfernt lag eine zweite Hundeleiche.
»Pia!«
Ein großer grauhaariger Mann in einer grünen Latzhose kam eilig auf sie zu, es war Hans Georg, sie erkannte ihn nur verschwommen. Der Anblick der beiden erschossenen Hunde ließ sie das Schlimmste befürchten, die Angst in ihrem Innern wurde zu Panik und überwältigte sie.
»Wo ist Christoph? Was ist hier passiert?«, rief sie schrill und wehrte sich gegen Krögers Hände, aber er hielt sie unerbittlich fest und zog sie auf den Rasenstreifen, damit sie nicht über die Hundekadaver steigen musste.
»Ich habe zigmal versucht, dich zu erreichen«, sagte der Bauer, aber Pia hörte ihm nicht zu.
»Wo sind Christoph und Lilly? Wo sind sie?«, schrie sie hysterisch und stemmte ihre Hände gegen Krögers Brust. Er ließ sie los.
»Im Haus«, sagte Hans Georg, sein Tonfall klang bittend. »Warte, Pia!«
Sie wich ihm aus, als er ihr in den Weg trat und nach ihr greifen wollte. Wie eine zum Tode Verurteilte auf dem Weg zum Schafott, voller Angst vor den kommenden Sekunden steuerte sie mit starrem Blick auf die Haustür zu. Längst verdrängt geglaubte Ängste sprudelten in ihr empor, und ihr Herz klopfte so heftig, dass es ihr weh tat, sie war nassgeschwitzt, und ihr war eiskalt zugleich.
»Frau Kirchhoff!« Ein uniformierter Beamter kam aus dem Haus. Sie reagierte nicht, starrte auf die Blutlache auf der Treppe, das Blut an der Wand und an der Tür. Musste sie jetzt den Alptraum aller Polizisten ertragen, die eigenen Angehörigen tot aufzufinden?
»Kommen Sie«, sagte der Kollege. Christian Kröger war dicht hinter ihr. Ihr Haus, ihre Küche, alles war voller fremder Menschen. Sie sah die rot-orangenen Westen des Notarztes und der Rettungsassistenten, aufgeklappte Koffer, sah Schläuche, Kabel, blutverschmierte Kleider und mittendrin auf dem Boden lag Christoph, nur noch mit einer Unterhose bekleidet, auf seiner nackten Brust klebten die Elektroden eines EKG .
»Ihre Frau ist jetzt da«, hörte sie jemanden sagen, man machte ihr Platz. Christoph lebte! Vor Erleichterung wurde Pia ganz flau. Sie drängte sich zu ihm durch, kniete neben ihm nieder und berührte vorsichtig seine Schulter. Er hatte eine Platzwunde am Kopf, die vom Notarzt gerade versorgt wurde.
»Was ist passiert?«, flüsterte sie. »Wo ist Lilly?«
Christoph öffnete die Augen, sein Blick war verschwommen.
»Pia«, murmelte er benommen. »Er hat sie mitgenommen. Er … er stand vor dem Tor und … und hat gewinkt. Lilly … sie sagte, sie würde ihn kennen … vom Zoo und … und von Miriams Oma. Ich … ich hab mir nichts dabei gedacht … und das Tor
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