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Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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du ja am nächsten Tag auch schon wieder zu Hause.«
    Daran hatte Emma gar nicht gedacht. Ihre Lage war ja weiß Gott keine Ausnahme, die Sonnenkinder waren spezialisiert auf unglückliche Frauen, wie sie nun eine war, auf Frauen, die von ihren Männern im Stich gelassen wurden! Das tröstete sie allerdings nicht sonderlich, im Gegenteil. Dadurch wurde ihr die Notlage, in der sie steckte, erst in ihrem ganzen Ausmaß bewusst. Gleichzeitig schlich sich ein ungeheuerlicher Verdacht in ihren Kopf. Hatte Florian, der kein zweites Kind gewollt hatte, sie womöglich mit voller Berechnung bei seinen Eltern abgeladen, damit er keine Verantwortung übernehmen und kein schlechtes Gewissen haben musste, wenn er mit einer anderen Frau auf und davon ging? War das etwa alles ein abgekartetes Spiel, eine elegante Lösung, sie loszuwerden?
    Sie musterte die Frau, die sie leichtherzig als Freundin angenommen hatte, misstrauisch. Vielleicht wusste Sarah darüber Bescheid! Und auch Corinna und ihre Schwiegereltern!
    »Was hast du denn?« Sarah klang aufrichtig besorgt, aber das konnte auch gespielt sein. Plötzlich merkte Emma, dass sie niemandem mehr vertraute. Sie öffnete ihr Portemonnaie, legte fünf Euro auf den Tisch und stand auf.
    »Ich … ich muss Louisa abholen«, stammelte sie und ergriff die Flucht.
    Statt des angekündigten ICE rollte ein gewöhnlicher IC mit einer Viertelstunde Verspätung auf Gleis 13 im Hamburger Hauptbahnhof ein. Damit war seine Sitzplatzreservierung, über die er sich beim Anblick der wartenden Menschenmassen auf dem Bahnsteig gefreut hatte, obsolet. Der Zug war so voll, dass er keinen Platz bekam und im Gang stehen musste, den Rucksack zwischen die Füße geklemmt.
    Das Zuverlässigste an der Deutschen Bahn war ihre Unzuverlässigkeit. Man konnte sich zwar mittlerweile die Tickets auf Smartphones laden und per Internet Reservierungen durchführen, aber in der Realität sah es im Zugalltag nicht viel besser aus als noch vor dreißig Jahren.
    Er hatte es noch nie gemocht, wenn ihm fremde Menschen so dicht auf die Pelle rückten, deshalb war er in seinem früheren Leben am liebsten geflogen oder mit dem Auto gefahren. Die Frau neben ihm roch so penetrant nach einem billigen Parfüm, als habe sie darin gebadet und überdies ihre Kleider noch damit gewaschen. Von links drang ein scharfer Schweißgeruch in seine Nase, und irgendeiner seiner Mitreisenden hatte Knoblauch gegessen.
    Sein übersensibler Geruchssinn, auf den er früher einmal stolz gewesen war, entpuppte sich in Situationen wie dieser als Qual.
    Wenigstens hatte sich der Kurztrip in den Norden gelohnt. Er hatte bekommen, was er wollte. Zwar hatte er nur ein paar oberflächliche Blicke auf die Fotos werfen können, die auf dem unauffälligen USB -Stick gespeichert waren, aber sie zeigten genau das, was er sich insgeheim erhofft hatte. Tausende von Fotos und einige Videodateien in allerbester Qualität, auf dem Schwarzmarkt ein kleines Vermögen wert. Sollte die Polizei das Ding bei ihm finden, war es mit seiner Bewährung aus und vorbei, aber das Risiko musste er eingehen.
    Er kontrollierte sein Handy. Kein Anruf, keine SMS . Dabei hatte er so gehofft, dass sie sich melden würde.
    Sein Blick schweifte durch den Großraumwagen. In dem grauen Brioni-Anzug, einem Relikt aus seinem alten Leben, mit Hemd und Krawatte fiel er zwischen den vielen anderen Businesstypen nicht auf, niemand nahm Notiz von ihm, bis auf eine hübsche dunkelhaarige Frau, die schräg vor ihm auf einem Fensterplatz saß und ihn schon die ganze Zeit anstarrte, wenn sie glaubte, er bemerke es nicht. Sie lächelte, kokett und ein wenig herausfordernd, aber er lächelte nicht zurück. Das Letzte, worauf er jetzt Lust hatte, war ein gezwungenes Gespräch. Eigentlich hatte er auf der Rückfahrt lesen oder schlafen wollen, beides ging im Stehen eher schlecht. Stattdessen gab er sich Tagträumen hin, schwelgte in angenehmen Erinnerungen, die allerdings von zunehmenden Zweifeln getrübt wurden.
    Warum meldete sie sich nicht bei ihm? Er hatte ihr heute Morgen geschrieben, dass er tagsüber nur per Telefon oder SMS erreichbar sein würde. Seitdem hatte er unter innerer Anspannung gestanden und auf eine Antwort gewartet. Vergeblich. Je länger sein Handy schwieg, desto größer wurden die Zweifel. In Gedanken ging er jedes Gespräch und jede Formulierung durch, versuchte, sich in Erinnerung zu rufen, ob er sie irgendwie beleidigt, gekränkt oder verärgert haben könnte. Die Euphorie,

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