Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
zierliches Püppchen mit großen schwarzen Kulleraugen und feinen Gesichtszügen. Ihr lackschwarzes Haar war wie üblich zu einem dicken Zopf geflochten, sie trug ein lindgrünes ärmelloses Sommerkleid und dazu farblich abgestimmte Peeptoes aus Wildleder, ein perfekter Kontrast zu ihrer samtigen goldbraunen Haut, dem Erbe ihrer indischen Vorfahren. Emma beneidete sie glühend um ihre Figur, für die sie weder hungern noch Sport treiben musste.
»Du siehst unglücklich aus.« Sarah legte ihre Hand auf Emmas Arm. »Ist etwas passiert?«
Emma stieß einen Seufzer aus und zuckte die Schultern.
»Was bedrückt dich?«, wollte Sarah wissen.
Emma öffnete den Mund zu einer spontanen Antwort. Nichts, hatte sie sagen wollen. Mir geht es gut.
»Ist etwas mit Florian?«
Sarah hatte manchmal geradezu unheimliche hellseherische Fähigkeiten. Emma biss sich auf die Lippen. Sie war ein disziplinierter, pragmatischer Mensch, gehörte nicht zu den Frauen, die sich bei ihren Freundinnen ausheulten und jammerten. Von klein auf war sie daran gewöhnt, Probleme mit sich selbst auszumachen, es fiel ihr schwer, darüber zu sprechen. Lieber verdrängte sie Sorgen mit rastloser Aktivität, und damit hatte sie eigentlich recht gut gelebt.
Plötzlich dachte sie viel zu viel nach. Das war nicht gut.
»Du kannst mit mir darüber reden.« Sarahs Stimme klang sanft. »Das weißt du. Und manchmal hilft es, wenn man einfach ausspricht, was einen bedrückt.«
Reden, reden, reden! Genau das wollte Emma nicht.
»Florian betrügt mich«, flüsterte sie schließlich.
Plötzlich kamen ihr die Tränen.
»Er hat seit letztes Jahr November nicht mehr mit mir geschlafen!«, brach es aus ihr heraus. »Wir hatten früher mindestens dreimal pro Woche Sex und jetzt … wenn ich versuche ihn anzufassen, dann erstarrt er regelrecht. Das ist so furchtbar demütigend!«
Sie wischte sich die Tränen ab, aber ständig strömten neue über ihr Gesicht, als sei ein Damm in ihrem Innern gebrochen.
»Ich meine, er hat schließlich auch dazu beigetragen, dass ich so aussehe! Es kommt mir vor, als … als wollte er mich bestrafen! Verdammt, ich hasse es, schwanger zu sein! Und ich freue mich kein bisschen auf das Baby!«
»Emma!« Sarah beugte sich nach vorne und ergriff ihre Hände. »Das darfst du nicht sagen! Ein Baby, ein neuer Mensch, das ist das Wunderbarste auf der Welt! Es ist das größte Privileg, das wir Frauen haben. Natürlich ist es mühsam und schmerzhaft, und wir müssen große Opfer bringen, aber das alles ist doch vergessen, wenn das Baby dann da ist. Viele Männer sind unbewusst eifersüchtig, ja, manche haben sogar plötzlich Angst vor ihrer Partnerin und dem Kind, das in ihrem Bauch wächst. Ihr Verhalten ist dann häufig irrational, aber das vergeht auch wieder. Glaub mir. Du musst ein wenig Nachsicht mit deinem Mann haben. Er verletzt dich nicht mit Absicht.«
Emma starrte ihre Freundin ungläubig an.
»Du … du heißt es gut, wie Florian sich verhält?«, flüsterte sie. »Ich habe vor zwei Wochen eine leere Kondompackung in seiner Jeans gefunden, und er ist mir eine Erklärung dafür schuldig geblieben! Hat nichts gesagt, als ich ihn gefragt habe, ob er eine andere hat! Stattdessen hat er seine Klamotten gepackt und ist ausgezogen, in irgendeine … irgendeine Pension in Frankfurt! Ich hatte den Eindruck, er war richtig froh, dass er hier wegkonnte. Weg von mir und seinen Eltern! Dabei hat er damals doch vorgeschlagen, dass ich hier leben soll, bis das Baby da ist!«
Sarah hörte stumm zu.
»Wer weiß, was er getan hat und wie oft er mich belogen hat, wenn er wochenlang alleine irgendwo in einem Camp war!«, stieß Emma hervor. »Ach, verdammt, ich kann das alles nicht mehr ertragen!«
Sie schüttelte Sarahs Hände ab. Vor ihren Augen tanzten schwarze Punkte, ihr war schwindelig. Bei der Hitze spielte ihr Kreislauf verrückt. Das Baby war aufgewacht, sie spürte, wie es sie trat. Auf einmal kam es ihr so vor, als trüge sie einen unerwünschten Fremdkörper in ihrem Bauch.
»Ich bin völlig allein!«, schluchzte sie verzweifelt. »Was soll ich mit Louisa machen, wenn ich ins Krankenhaus muss? Wie soll das alles weitergehen? Wo soll ich bloß hin mit zwei Kindern, ohne Geld?«
Sarah streichelte Emmas Arm.
»Du bist doch bei uns gut aufgehoben«, sagte sie mitfühlend. »Du bekommst dein Baby bei uns im Geburtshaus. Louisa bleibt bei Renate, Corinna oder mir und kann dich jederzeit besuchen. Und wenn alles gut läuft, bist
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