Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
von der Sparkasse grünes Licht für die Finanzierung bekommen. Inka hatte sich sofort mit den Handwerkerfirmen in Verbindung gesetzt, die Mitte Juli die Arbeit wieder aufnehmen würden. Die Aussicht darauf, dass er in spätestens einem halben Jahr wieder in eigenen vier Wänden leben und die Zeit als Untermieter seiner Eltern ein Ende haben würde, hatte Bodenstein einen wahren Motivationsschub versetzt. Nach zwei langen düsteren Jahren der Orientierungslosigkeit hatte er das Gefühl, endlich wieder am Ruder zu stehen und die Richtung, in die sein Leben gehen sollte, selbst bestimmen zu können. Manche Männer erwischte die Midlife-Crisis mit fünfzig plus, ihn hatte sie eben schon ein Jahr früher heimgesucht. Während er auf die Kriminalrätin wartete, dachte er über Möbel nach, die er anschaffen wollte, und über die Gestaltung des Gartens. Ob es schmerzlich sein würde, das Haus, das er und Cosima gebaut und fünfundzwanzig Jahre bewohnt hatten, auszuräumen?
»Bodenstein!«
Er wandte sich um. Frank Behnke kam auf ihn zu. Mühsam unterdrückte Wut flackerte in seinen Augen, und für einen Moment durchzuckte Bodenstein die verrückte Vorstellung, Behnke würde eine Waffe ziehen und ihn auf dem Flur im Landeskriminalamt niederstrecken, nur um seinen aufgestauten Frust loszuwerden.
»Ich weiß nicht, was Sie da wieder gedreht haben«, zischte er. »Aber ich krieg’s raus. Ihr steckt doch alle unter einer Decke.«
Bodenstein musterte seinen ehemals engsten Mitarbeiter. Er empfand weder Schadenfreude über das Scheitern seiner Bemühungen, ihm eine Verfehlung nachzuweisen, noch Abneigung. Behnke tat ihm leid. In seinem Leben war etwas gründlich schiefgelaufen. Die Verbitterung darüber hatte ihn zerfressen und nun bestimmten Minderwertigkeitsgefühle und Rachegelüste sein ganzes Denken. Sehr lange hatte Bodenstein den jüngeren Kollegen geschützt und mehr Nachsicht gezeigt, als es dem Rest seines Teams gegenüber fair gewesen war. Zu lange. Behnke hatte auf keine Ermahnung gehört und es schließlich so weit getrieben, dass Bodenstein sich von ihm hatte distanzieren müssen, um nicht selbst in den Strudel der Ereignisse hineingezogen zu werden.
»Frank, jetzt lassen Sie es doch gut sein«, sagte Bodenstein in versöhnlichem Tonfall. »Ich für meinen Teil vergesse das Ganze hier und trage es Ihnen nicht nach.«
»Ach, wie gnädig!« Behnke lachte bösartig. »Zufällig scheiß ich drauf, ob Sie mir etwas nachtragen oder nicht. Sie haben mich wie eine heiße Kartoffel fallen lassen, als die Kirchhoff ins Team gekommen ist. Das vergesse ich nicht. Niemals. Ab dem Tag war ich nur noch zweite Wahl. Und ich weiß genau, dass die Kirchhoff und die Fachinger immer über mich gelästert haben. Lächerlich gemacht haben mich die beiden Dreckweiber! Und Sie haben das zugelassen.«
Bodenstein furchte ungläubig die Stirn.
»Also jetzt mal langsam«, entgegnete er. »Ich lasse es nicht zu, dass Sie in diesem Ton von Kolleginnen sprechen. Das ist alles ganz und gar nicht wahr …«
»Natürlich ist es das!«, fiel Behnke ihm ins Wort, und Bodenstein begriff, welch kolossale und krankhafte Ausmaße Behnkes Eifersucht angenommen hatte. »Sie haben doch schon immer unter dem Pantoffel der Weiber gestanden. Ihre Frau hat Ihnen Hörner aufgesetzt. Und …«
Er machte eine Kunstpause, verschränkte die Arme vor der Brust und grinste gehässig. »Und zufällig weiß ich genau, dass Sie die Engel gevögelt haben!«
»Stimmt«, sagte eine Stimme hinter ihm. Nicola Engel lächelte sehr kühl und sehr beherrscht. »Und nicht nur einmal, Herr Kollege. Wir waren nämlich mal verlobt. Vor ungefähr dreißig Jahren.«
Bodenstein beobachtete, wie Behnke verzweifelt um seine Fassung rang, als sich auch dieser vermeintliche Trumpf vor seinen Augen in Rauch auflöste.
Nicola Engel trat dichter an ihn heran, und er wich vor ihr zurück. Eine reflexartige Unterlegenheitsgeste, die ihn noch zusätzlich erboste.
»Ich hoffe, Sie sind sich dessen bewusst, dass Sie mit dem Job hier nur dank meiner Intervention Ihre allerletzte Chance im Polizeidienst bekommen haben«, sagte sie mit leiser Stimme, die dennoch rasiermesserscharf war. »Sie sollten sich in Zukunft bei Ihrer Arbeit nicht von persönlichen Motiven leiten lassen, sonst dürfen Sie demnächst in der Polizeischule die Tafeln abwischen. Ich hatte gerade ein Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten, in dem ich ihm versichert habe, dass Kollege Bodenstein und auch ich über diese
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