Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
abgetrennt durch einen Maschendrahtzaun, ein Schrottplatz, auf dem Unmengen von Motorrad- und Autoteilen, Reifen und Ölfässern lagerten. Im Schatten einer großen Kastanie neben der Halle standen Tische und Bänke, ein Schwenkgrill qualmte vor sich hin, doch weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Auf der anderen Seite des großen Hofes dösten in vergitterten Hundezwingern die auf den Warnschildern angekündigten Kampfhunde friedlich in der Sonne.
Bis auf das ferne Brummen eines Motorflugzeugs war es vollkommen still. In den Büschen ringsum summten Hummeln und Bienen, tief im Wald rief ein Kuckuck.
Meike inspizierte von ihrem erhöhten Platz den Rest des riesigen umzäunten Areals. Zwischen hohen Bäumen stand ein Wohnhaus, umgeben von einem gepflegten Garten mit sorgfältig beschnittenen Büschen, blühenden Blumenbeeten und smaragdgrünen Rasenflächen. Unweit der Terrasse leuchtete blau ein Swimmingpool, und etwas weiter hinten im Garten befand sich ein Kinderspielplatz mit Schaukeln, Sandkasten, Klettergerüsten und einer Rutsche. Ein friedliches Idyll zwischen Stacheldrahtzäunen, schweren Motorrädern und aggressiven Kampfhunden hinter dicken Gittern. Sehr seltsam. Was war das hier?
Meike machte mit ihrem iPhone ein paar Fotos, dann aktivierte sie die Standortbestimmung bei Google Maps. Sie zoomte das Satellitenbild größer, doch zu ihrer Enttäuschung schien es ein paar Jahre alt zu sein, denn man erkannte weder den Zaun noch den Schrottplatz. Früher musste das Anwesen ein simpler Bauernhof gewesen sein, bevor sich hier irgendeine obskure Organisation verschanzt hatte. Die ganze Sache roch geradezu nach krimineller Energie. Drogen? Geklaute Autos und Motorräder? Menschenhandel? Vielleicht etwas Politisches?
Meike griff wieder nach dem Fernglas und richtete es auf das Haus.
Plötzlich zuckte sie erschrocken zusammen. Hinter einem der Fenster im Erdgeschoss stand jemand, mit einer Hand hielt er ein Fernglas vor die Augen, mit der anderen ein Handy am Ohr. Und dieser Jemand schaute genau in ihre Richtung! Verdammt, man hatte sie entdeckt!
Sie kletterte hastig die Holzleiter hinunter, eine Sprosse knackte und brach, Meike verlor das Gleichgewicht und stürzte rückwärts in die Brennnesseln. Fluchend kam sie wieder auf die Beine, keine Sekunde zu früh, denn vom Wald her näherte sich ein großes schwarzes Auto mit verspiegelten Scheiben, gefolgt von vier Motorrädern. Die Kolonne fuhr aber nicht etwa in den Hof, sondern röhrte geradeaus weiter auf den grasbewachsenen Feldweg, direkt Richtung Hochsitz. Meike zögerte nicht lange und kämpfte sich durch Brennnesseln, dorniges Gestrüpp und Unterholz in den Wald. Angst war eigentlich immer ein Fremdwort für sie gewesen, in ihrer Berliner Zeit hatte sie in einem der übelsten Viertel der Hauptstadt gewohnt, sie wusste sich ihrer Haut zu wehren, wenn sie angegriffen wurde. Aber das hier war etwas anderes. Sie war mitten im Nirgendwo, hatte niemandem erzählt, wohin sie fuhr.
Das Auto und die Motorräder stoppten, Türen öffneten sich. Stimmen. Meike wagte einen Blick zurück, sah Kopftücher, Goldketten, schwarzes Leder, Bärte, Tätowierungen. War die Festung das Hauptquartier einer Rockerbande? Ein Hund bellte, verstummte aber sofort wieder. Es knackte im Unterholz. Die hetzten doch wirklich so eine Kampfbestie hinter ihr her! Meike rannte so schnell sie konnte, und hoffte, sie würde ihr Auto erreichen, bevor das Vieh sie eingeholt und angefallen hatte. Sie zweifelte keine Sekunde daran, dass es auf dem riesigen Grundstück tausend Möglichkeiten gab, ungebetene Gäste spurlos verschwinden zu lassen. Bilder von Jauchegruben, Fässern mit Säure und Betonkübeln zuckten ihr durch den Kopf. Ihren Mini würden die Rocker wahrscheinlich in Windeseile in seine Einzelteile zerlegen und auf dem Schrottplatz verstecken oder gleich mit ihrer Leiche im Kofferraum durch die Schrottpresse jagen. Da sah sie etwas Rotes zwischen den Baumstämmen aufleuchten! Meike hatte das Gefühl, ihr Herz würde jeden Moment aus ihrer Brust springen, sie hatte Seitenstechen und kriegte keine Luft mehr, dennoch gelang es ihr, den Autoschlüssel zu ziehen und auf die Fernbedienung zu drücken. Gleichzeitig schnitt ihr der Hund den Weg ab. Das schwarzgestromte Muskelpaket stürzte mit gefletschten Zähnen auf sie zu, sie sah schneeweiße Zähne, einen weit aufgerissenen dunkelroten Rachen, hörte heiseres Japsen.
»Runter!«, brüllte eine Männerstimme, und Meike
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