Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
Wangen glühten, und als Florian ein paar Minuten später die Treppe hinaufkam, riss sie die Wohnungstür auf und flog ihm in die Arme, jauchzend vor Freude.
»Papi! Papi! Fahren wir in den Zoo, jetzt gleich?«
»Wenn du das möchtest, meine Süße.« Er rieb lächelnd seine Wange an ihrer, und sie schlang ihre Ärmchen um seinen Hals.
»Hallo«, sagte Emma zu ihrem Mann.
»Hallo«, erwiderte der und mied ihren Blick.
»Hier ist Louisas Tasche«, sagte sie. »Ich habe ein paar Kleider eingepackt, einen Schlafanzug und ein zweites Paar Schuhe. Und zwei Windeln. Manchmal braucht sie die nachts noch …«
Der Knoten in ihrem Hals drohte ihre Stimme zu ersticken. Was für eine schreckliche Situation! Würde sich das jetzt alle vierzehn Tage wiederholen – diese kühle, geschäftsmäßige Übergabe? Sollte sie Florian bitten, wieder einzuziehen, und seine Untreue einfach ignorieren? Aber was, wenn er sich nicht darauf einließe? Vielleicht war er ja froh, ihr entronnen zu sein.
»Ist es dir ernst mit der Trennung?«, fragte sie mit belegter Stimme.
»Du hast mich rausgeworfen«, erinnerte er sie, noch immer ohne sie anzusehen. Ein Fremder, dem sie nicht mehr vertraute. Umso schlimmer, ihm nun ihr Kind mitgeben zu müssen.
»Du schuldest mir bis jetzt ja auch noch eine Erklärung.«
Kein Wort von Florian, keine Rechtfertigung, keine Entschuldigung.
»Lass uns nächste Woche reden«, wich er aus, wie üblich.
Louisa zappelte ungeduldig auf Florians Arm.
»Komm, Papa«, drängte sie, ohne zu ahnen, wie grausam die unreflektierten und daher umso ehrlicheren Worte für ihre Mutter waren. »Ich will endlich gehen.«
Emma verschränkte die Arme vor der Brust, kämpfte so hart gegen die aufsteigenden Tränen, dass sie beinahe das Atmen vergaß.
»Pass bitte gut auf sie auf.« Mehr als ein Flüstern kam nicht aus ihrem Mund.
»Ich habe immer gut auf sie aufgepasst.«
»Wenn du mal da warst.« Sie konnte nichts gegen den bitteren Tonfall in ihrer Stimme tun. Zu lange schwelte dieser Vorwurf in ihrem Innern.
Florian und auch seine Eltern verwöhnten Louisa nach Strich und Faden, so dass sie die Einzige war, die dem Kind Regeln aufzeigte und Grenzen setzte. Damit machte sie sich bei Louisa natürlich nicht unbedingt beliebt. »Du warst ja schon immer nur ein Wochenendvater. Den Alltagsstress überlässt du mir und überschüttest sie am Wochenende mit allem, was sie von mir aus pädagogischen Gründen nicht bekommt. Das ist wirklich unfair.«
Endlich sah er sie an. Sagte jedoch nichts.
»Wo fährst du mit ihr hin?«
Sie hatte ein Recht, das zu erfahren, das wusste sie von der Frau vom Jugendamt und einer Anwältin für Familienrecht, mit denen sie letzte Woche lange telefoniert hatte. Um einem Elternteil das Umgangsrecht zu verweigern, mussten schwerwiegende Gründe vorliegen, so etwas wie Alkohol- oder Drogenmissbrauch. Die Jugendamtsmitarbeiterin hatte ihr erklärt, dass bei kleineren Kindern die Übernachtung außer Haus oft nicht gestattet würde, aber das läge in ihrem Ermessen.
Eine ganze Weile hatte sie überlegt, ob sie darauf bestehen sollte, dass Florian Louisa am Abend zurückbringen musste, aber dann hatte sie es gelassen. Louisa freute sich seit Tagen auf das Wochenende mit ihrem Papi, und das Letzte, was Emma wollte, war, ihre Tochter zum Opfer der egoistischen Machtspiele ihrer Eltern zu machen.
»Ich habe eine Wohnung in Sossenheim«, sagte Florian kühl. »Eine Einliegerwohnung im Souterrain. Zwar nur zwei Zimmer, Küche und Bad, aber das reicht wohl aus.«
»Und wo wird Louisa schlafen? Willst du ihr Reisebett mitnehmen?«
»Sie schläft bei mir.« Er setzte das Kind ab und ergriff die Tasche, die Emma gepackt hatte. »Das hat sie doch bis jetzt auch jede Nacht getan, wenn ich da war.«
Das stimmte. Nacht für Nacht war Louisa in ihrem Schlafzimmer aufgetaucht, und Florian hatte sie immer bei sich schlafen lassen, obwohl Emma dagegen protestiert und gesagt hatte, das Kind müsse sich an sein Bett gewöhnen. Morgens, wenn sie aufstand, schmusten die beiden noch, kicherten und tobten miteinander. Genauso würden sie also heute Nacht und morgen Nacht schlafen. Mit einem Unterschied: Sie selbst würde nicht dabei sein. Und ganz plötzlich zuckte ein Wort durch ihren Kopf, ein hässliches, ein ekelhaftes Wort, das die Mitarbeiterin des Jugendamtes erwähnt hatte, als sie die Gründe aufgezählt hatte, aus denen einem Elternteil das Umgangs- und Besuchsrecht entzogen werden konnte.
»Hast du
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